Persönlichkeit versus Repräsentation

Persönlichkeit versus Repräsentation
Ein politisches Plädoyer für starke Parlamentsklubs

Persönlichkeiten dominieren den Kurs. Der italienische Ministerpräsident Mario Draghi genießt das Vertrauen von über 60% der Italiener_innen. Er gehört keiner Partei an. Auch der wiedergewählte französische Präsident Emmanuel Macron hat die traditionellen Parteien hinter sich gelassen. In Österreich ging es bei der ÖVP lange Zeit um eine einzige Person: Sebastian Kurz. Diese personenbezogene Politik hat in den vergangenen Jahren massiv zugenommen. Dafür gibt es einige Gründe: Das Misstrauen bzw. die Gleichgültigkeit der Menschen der Politik gegenüber – Expert_innen werden höher geschätzt als Parteipolitiker_innen, die einer Ideologie folgen.

Viele Dinge werden nur unter den Staats- und Regierungschefs ausgemacht und dann direkt in Gesetze gegossen. Zudem gibt es immer mehr staatliche Organisationen, die keiner parlamentarischen Kontrolle unterliegen; aktuelles Beispiel ist die COFAG, die Milliarden an Steuergeldern ausschüttet.

In den letzten Jahren zerbröselt auch die Parteiloyalität zusehends. Politiker_innen sind individualisierter und denken weniger in Gruppenzugehörigkeit. Die Medialisierung hilft dabei, Wähler_innen direkt anzusprechen. Es geht nicht mehr vordergründig um Parlamente, Fraktionen und Parteien. So wird ein Grundpfeiler unserer Demokratie, der lebendige Parlamentarismus, infrage gestellt. Statt des Ringens um die besten Ideen im Parlament entsteht ein Wettkampf der schillerndsten Persönlichkeiten. Klubs und Parteien haben, wie der Politologe Peter Maier festhält, zwei Bündel an Funktionen:

Repräsentative Aufgaben – sie bündeln Bürger_innen zu Interessensgruppen, artikulieren diese und übersetzen sie in politische Maßnahmen. Andererseits rekrutieren und fördern Parteien Führungspersönlichkeiten, erledigen die parlamentarische Arbeit und formen die Regierung.

Parteistrukturen helfen, so Wolfgang Müller, den Fokus weg von Einzelinteressen hin zum kollektiven Nutzen von Maßnahmen zu bringen. Die parteiinternen Checks und Balances sorgen dafür, dass die Wählerschaft nicht auf den Goodwill einziger Führungspersönlichkeit angewiesen ist. Damit sind Parlamentsklubs der zentrale Moderator, um politische Vertretung und Rechenschaft zu ermöglichen. Wenn sich Politiker_innen als Teil eines Klubs sehen und dessen Werte teilen, weiß man, wofür diese Person steht.

Die Klubs helfen also an zwei Fronten: Für Wähler_innen wird es leichter, eine Wahlentscheidung zu treffen, und Politiker_innen müssen weniger Positionierungsarbeit leisten. Ein System starker Parlamentsklubs sorgt also für Vorhersehbarkeit und Transparenz politischer Maßnahmen; was die Rechenschaft gegenüber den Wähler_innen verbessert. Personenbezogene Politik ist nur so stark wie die Person, auf die sie sich bezieht. Politiker_innen haben – wie die letzten Monaten zeigen – oft erschreckend kurze Halbwertszeiten.

Armin Huebner ist stellvertretender Klubdirektor der Neos.

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