Ohne uns ist die Partei nichts

Ohne uns  ist die Partei nichts
Wie Mitgliederzahlen die Politik prägen. Nicht nur in Österreich

Ein dramatischer Rückgang an Mitgliedern erschütterte (zumindest bis vor Kurzem, wegen einer Mitgliederabstimmung um die Parteiführung hat die SPÖ 9.000 neue Mitglieder gewonnen, Anm.) die SPÖ aber auch die Schottische Nationalpartei (SNP). Ans Tageslicht kam der Exodus im Laufe von Kampfabstimmungen, sonst wären die Zahlen geheim geblieben. Ehemals veröffentlichte die SPÖ ihre Mitgliederstatistik in Berichten an den Parteitagen. In den 1970er-Jahren hatten ca. 10 Prozent der Bevölkerung ein rotes Parteibuch. Davon galten wiederum 10 Prozent als „Vertrauenspersonen“, die regelmäßig ihre Schafen in den Gemeindewohnungen abklapperten, um die Mitgliedsausweise abzustempeln, den Parteibeitrag einzukassieren und herauszufinden, wo denn gerade der Schuh drückte. Ums Eck waren ein Büro der jeweiligen Sektion und ein Lebensmittelgeschäft der Genossenschaft. Die Partei konnte es sich leisten, mit ihrer eigenen Zeitung und ihrem eigenem Verlag hausieren zu gehen. Die damalige SPÖ war in der Wählergunst erfolgreich, zentral organisiert und geeint. Die Partei könnte behilflich sein mit Arbeitsplätzen, Bankkrediten und Wohnungen. Heutzutage kann diese Form der „Hilfsbereitschaft“ als Korruption betrachtet werden und die Ressourcen sind nicht mehr vorhanden. Selbst, als sie sich in Opposition befand, klammerte sich die Partei in Wien und in der Sozialpartnerschaft an die Macht, doch mit der Zeit ging auch der damit einhergehende Einfluss zurück.

Die Gemeinden, und hier speziell die Bürgermeister, waren nie Bastionen der roten Reichshälfte. Die Paten der Partei hatten versagt – und die Genossen stimmten mit ihren Füßen ab. Ohne die Partei war man nichts. Mittlerweile ohne Basis, ist die Partei nichts.

Schottland mit seiner Bevölkerung von knapp 5,5 Millionen Menschen krönte den Nachfolger von Nicola Sturgeon, der zurückgetretenen Parteichefin der SNP, durch weniger als 70.000 Parteimitglieder.

Die britischen Konservativen ersetzen ihren Premierminister mittlerweile regelmäßig in einer Wahl, an der 160.000 meist ältere männliche Mitglieder aus dem südlichen England beteiligt sind. Die Kandidaten dafür werden von der konservativen Parlamentsfraktion ausgesucht, was nicht selten zu einem Konflikt mit der Parteibasis führt.

Die britische Labour Partei kann ein Lied davon singen. Jeremy Corbyn schaffte in seiner Zeit als Parteichef eine enorme Mobilisierung der Basis samt sprunghaft ansteigenden Mitgliederzahlen. In seiner Parlamentsgruppe war er zu links und wurde zuletzt von der Fraktion ausgeschlossen. Die

TV-Konfrontationen, die diese Abstimmungen begleiten, sind oft brutal und polarisieren noch mehr Parteien, die ohnehin durch tiefe Grabenkämpfen gespalten sind.

Wähler, die kein Parteibuch besitzen, schauen aus der Loge. Das Dreieck zwischen Mitgliedern, Abgeordneten und Wählern ist geprägt durch ein Spannungsverhältnis zwischen den einzelnen Polen.

Melanie Sully ist britische Politologin. Sie lebt und arbeitet in Wien

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