Mutlose Pensionspolitik
In erstaunlicher Klarheit hat sich der Rechnungshof über das österreichische Pensionssystem und die Alterssicherungskommission geäußert – 180 Seiten stark, detailliert mit 40 Vorschlägen. Die Reaktion der verantwortlichen Politiker ist beschämend: leugnen und ignorieren.
Es ist ein vernichtendes Urteil über die Alterssicherungskommission. Seit 2017 sollte sie alle drei Jahre ein Langfristgutachten vorlegen und dieses mit möglichen Handlungsanleitungen an Parlament und Regierung versehen. In den ersten beiden Jahren geschah nichts. Erst die Beamtenregierung ernannte Walter Pöltner. Er hat mit viel Mühe das bisher einzige Langfristgutachten bis 2070 vorgelegt. Aus Protest über die Nichtreaktion der Regierung und die Pensionserhöhung für 2022, legte er leider den Vorsitz Ende 2021 zurück. Seitdem wird die Kommission von der stv. Vorsitzenden Ingrid Korosec geführt, die auch Vorsitzende des Seniorenbundes und Interessensvertreterin für Pensionisten ist. Diese beiden Funktionen in einer Person gehen sich nicht aus.
Daher ist es nicht wirklich verwunderlich, dass das Langfristgutachten in den Schubladen verschwunden ist. Dabei beinhaltet das Gutachten erstaunliche Inhalte. Wegen günstiger BIP-Wachstumsannahmen (1,35 Prozent p. a. statt den empfohlenen 1,14 Prozent) steigt der Aufwand nach anfänglichem stärkeren Anstieg nur auf ein Plus von 0,4 Prozent vom BIP bis 2070. Also alles bestens.
➤ Mehr dazu: Rechnungshof sieht umfassenden Handlungsbedarf bei Pensionssystem
Kleingedrucktes
Leider hat man das Kleingedruckte übersehen: Voraussetzung sind keine Erhöhungen über der Inflation. In den letzten zehn Jahren hat die Bundesregierung – egal in welcher politischen Zusammensetzung -– diese Vorgabe neun Mal nicht geschafft. Und selbst dann werden laut Gutachten die Pensionen um zehn Prozent schrumpfen – das wurde nicht kommuniziert.
Seit zwei Jahren gibt es keinen unabhängigen Vorsitz. Laut Gesetz wäre das nächste Langfristgutachten im November 2023 vorzulegen – es ist nicht beauftragt. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Es ist offensichtlich, dass die Bundesregierungen seit 2017 – mit Ausnahme der Beamtenregierung – kein Interesse an einer aktiven Alterssicherungskommission haben. Eine Kommission, die ihrem Auftrag gerecht würde, müsste regelmäßig tagen, Studien und Vorschläge zur Absicherung vorlegen, z. B. eine Anhebung des faktischen und des gesetzlichen Pensionsantrittsalters; die Einführung eines Automatismus für Pensionshöhe und Antrittsalter entsprechend der Lebenserwartung wie beispielsweise in Schweden; eine Vereinheitlichung aller Systeme; eine Stärkung des staatlichen Systems durch den Ausbau der zweiten und dritten Säule.
Dies und mehr würde man sich von der Alterssicherungskommission erwarten: Vorschläge, die von Regierung und Parlament in Verantwortung für den Generationenvertrag intensiv diskutiert und umgesetzt werden. Mit Ausnahme des Nationalratsabgeordneten Gerald Loacker von den Neos ist kein Politiker an einer solchen Diskussion interessiert, zum Leidwesen der gesamten Bevölkerung, aber vor allem der Jungen. Kein Mut!
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