Marketing-Schmäh „Tierwohl“

© Adrian Almasan | www.adrianalmasan.com
Der mittlerweile arg strapazierte Begriff wird missbraucht. Ein Gastkommentar zum Welttierschutztag von Eva Rosenberg.

Die EU hat aufhorchen lassen. Künftig sollen vage Produktangaben wie „umweltfreundlich“ und „klimaneutral“ verboten werden, wenn es dafür keinen Nachweis gibt. Damit möchte die EU dem „Greenwashing“ einen Riegel vorschieben. Für die Konsumentinnen und Konsumenten ist das eine großartige Nachricht. Denn das Produktmarketing vieler Produzenten und Handelsunternehmen kommt nicht selten einer Täuschung gleich.

Eine solche Regelung bräuchte es dringend auch fürs Etikett „Tierwohl“. Der Welttierschutztag ist eine gute Gelegenheit, um auf den verbreiteten Missbrauch dieses mittlerweile arg strapazierten Begriffs hinzuweisen. Da „Tierwohl“ bisher kein geschützter Begriff ist, können Produkte wahllos damit gekennzeichnet werden. Die Werbung tut ein Übriges: Überall springen einem fröhliche Ferkel und glückliche Kühe entgegen – dabei entspricht der überwiegende Teil der Produktion von tierischen Lebensmitteln gerade einmal den gesetzlichen Mindestanforderungen. In Österreich etwa werden klägliche 3 Prozent der Schweine biologisch gehalten. Rechnet man die Tiere in den Tierwohl-Programmen mit höheren Standards mit ein, so kommt man auf schlappe 5 Prozent, die unter kontrollierten höheren Standards gehalten werden. Der Großteil der Schweine, die konventionell gehalten werden, steht nach wie vor auf Vollspaltenböden, Ferkel werden nach wie vor ohne Betäubung kastriert. Bei Rindern sind drei Viertel in konventioneller Haltung, teilweise ebenso auf Vollspaltenböden und über Monate im Stall angebunden.

Bei einigen Gütesiegeln im Handel ist zwar etwas in Bewegung geraten, das zu einer Verbesserung für die Tiere geführt hat, aber nach wie vor sind die Kriterien dahinter nicht einheitlich, damit schwer vergleichbar und oft undurchsichtig. Wir müssten schon über detektivische Fähigkeiten verfügen, um ein vollständiges Bild zu bekommen.

Es braucht daher dringend eine Definition dessen, was „Tierwohl“ bedeutet, und eine klare Regelung für Unternehmen, die damit werben. Orientierung bietet dafür die Wissenschaft, die Tierwohl nach folgenden Parametern bewertet: die Umwelt, in der das Tier lebt, der Gesundheitszustand, die Qualität der Ernährung, die Verhaltensinteraktionen in seinem physischen und sozialen Umfeld sowie der mentale Zustand des Tieres. Diese sogenannten „fünf Dimensionen“ wären ein gutes Grundgerüst.

Was wir sicher nicht brauchen, ist das x-te Tierwohl-Label, das erneut die Verantwortung an die Konsumentinnen und Konsumenten abgibt und für zusätzliche Verwirrung sorgt. Nur eine einheitliche Kennzeichnung nach Herkunft und vor allem Haltung könnte Transparenz und Vertrauen wiederherstellen. Das heißt: weg vom Marketing-Schmäh hin zu einer echten Information über die Produktionsbedingungen von Lebensmitteln.

Eva Rosenberg ist Direktorin von Vier Pfoten Österreich

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