Keine Schraubenfabrik

Keine Schraubenfabrik
Aufheben des Impf-Patentschutzes würde die Krise vergrößern

Ein Impfstoff besteht aus bis zu 400 einzelnen Komponenten. Da ist Know-how gefragt und höchsten Qualitätsanforderungen zu entsprechen. Einen Impfstoff herzustellen, ist etwas anderes als beispielsweise Schrauben am laufenden Band rauszuhauen. Nicht von ungefähr besteht die Impfstoff-Produktionskette aus vielen einzelnen, hoch spezialisierten Akteuren. Selbst bestehende Werke, in denen schon vor der Pandemie Impfstoffe produziert wurden, können nicht kurzfristig auf Covid-19-Vakzine umgestellt werden.

Dieser Tatsache muss man ins Auge blicken, wenn man, wie jüngst an dieser Stelle geschehen, fordert, den Patentschutz auf Covid-19-Impfstoffe für die Zeit der Pandemie auszusetzen. Die Geschäftsführerin von „Ärzte ohne Grenzen“ argumentiert dies damit, dass dadurch mehr Impfstoffe produziert werden könnten als dies ohnehin bereits der Fall ist.

Das ist inhaltlich grundfalsch, der Wahrheitsgehalt steigert sich auch durch ständiges Wiederholen nicht. Fakt ist: Die, die Impfstoffe produzieren können, tun dies auf Hochtouren. Sie gehen neue, ungewöhnliche Partnerschaften ein und nehmen laufend neue Produzenten mit an Bord, die einzelne Herstellungsschritte übernehmen können.

Dafür erteilen sie ihnen zuweilen Lizenzen, womit im Grunde genau das passiert, was gefordert wird: anderen die Herstellung von Covid-19-Impfstoffen zu ermöglichen.

Gebot der Stunde

Intensive industrielle Kooperation ist das Gebot der Stunde. Die geschieht genau dort, wo es möglich ist.

Wir alle hätten am liebsten überall und gleichzeitig ausreichende Mengen an Impfstoffen. Wir dürfen aber eines nicht vergessen: Wir können uns glücklich schätzen, dass wir überhaupt schon Impfstoffe haben. Da hat gerade der Patentschutz einen enormen Anteil daran.

Deshalb sollte man auch mit dem Vorwurf vorsichtig sein, pharmazeutische Unternehmen würden marktwirtschaftlichen Prioritäten gehorchen. Das tun sie zwangsläufig. Der kritisierte Patentschutz kann dabei als wichtiger Treiber gesehen werden, besser als die Konkurrenz zu sein und so den medizinischen Fortschritt voranzutreiben.

Ihnen daraus nun einen Vorwurf zu machen, heißt, die zu strafen, die an der Problemlösung mitarbeiten.

Es ist richtig: Eine Pandemie ist erst dann zu Ende, wenn sie überall beendet ist. Auf einen Schlag Milliarden an Impfdosen zu haben, ist unmöglich – ob heute oder in Zukunft. Umso wichtiger ist es daher, nicht gegen-, sondern miteinander zu arbeiten, nationale Protektionismen hintanzuhalten und Fairness in der Verteilung der vorhandenen Impfdosen walten zu lassen.

Das, was heute Probleme bereitet, ist die Basis dafür, es in Zukunft besser zu machen.

Alexander Herzog ist Generalsekretär der PHARMIG, des Verbandes der pharmazeutischen Industrie.

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