Keine Konsequenzen für Chris Rock?

Warum man über seinen Oscar-Witz reden sollte

Ein erfolgreiches Mitglied der Filmindustrie wird vor den Augen der Hollywood-Elite und der ganzen Welt durch einen banalen, intelligenzlosen Witz diskriminiert und auf ihre Identität als Kranke reduziert. Eine Respektlosigkeit, die keinerlei gesellschaftliche Folgen für den Täter nach sich zieht. Wie so oft bleibt die Degradierung einer Frau ohne Konsequenzen. Diesmal ist sogar ein Mensch betroffen, der auf dreifache Weise mit Diskriminierung zu kämpfen hat: Durch die Hautfarbe, das Geschlecht und eine Krankheit. Jada Pinkett Smith blickt auf eine erfolgreiche Karriere als Schauspielerin und Produzentin zurück. Nach ihrem Studium an der North Carolina School Of Arts* wird sie mehrfach ausgezeichnet, widmet ihr gesamtes berufliches Leben dem Film.

Die Oscars bilden die Spitze der Filmbranche und versammeln Menschen, die durch ihre Arbeit hervorstechen. Die Ansprachen des Komikers Chris Rock, die von geistreichen Argumenten und schneidenden Anspielungen auf die Apartheid geprägt waren, fallen durch den Witz über Smith ins Niveaulose. Sein Statement über ihren geschorenen Kopf, den er nach zustimmendem Gelächter selbstzufrieden lobte, ist eine Gehässigkeit auf Kosten einer Leistungsträgerin, die er damit vor der gesamten Welt auf ihre Krankheit reduziert.

Smiths Alopecia-Krankheit war bereits breit diskutiert worden. Rock hatte sich kurz nach dem Vorfall dafür entschuldigt, die Aufmerksamkeit von den Frauen auf sich gelenkt zu haben. Eine Scheinentschuldigung mit dem Hinweis auf den eigenen medialen Erfolg also. Besonders erstaunlich ist, dass Rock trotz seiner persönlichen Erfahrung mit Diskriminierung in dieser pietätlosen Weise verfährt. Viktimisierung bleibt oft unbemerkt, weil den Beobachtern die Rahmenbedingungen nicht immer präsent sind und die persönliche Nachvollziehbarkeit fehlt. Um eine Beleidigung als solche zu enttarnen, muss sie immer im Kontext verstanden werden und klar sein, in welchen Rollen die Beteiligten auftreten.

Wir neigen zur Gewalttat als Antwort, wenn wir ohnmächtig sind. Zuzusehen, wie die eigene Frau vor aller Augen abgewertet wird und um die ausbleibenden Konsequenzen zu wissen, ist ein Beispiel. Das Agieren ihres Ehemanns lässt vielleicht ganz andere Schwachstellen der Regeln unseres Zusammenlebens erkennen. Es wird dann versucht, Selbstjustiz auszuüben, wenn die richtigen Grundregeln fehlen. Das Konzept der Strafe mag vorzeitlich erscheinen, vielleicht aber nur auf den ersten Blick. Durch sie soll der Schaden des Opfers dadurch wieder ausgeglichen werden, dass der Täter selbst Schaden nimmt. Wie könnte das Gutes bewirken?

Sich als Opfer zu erleben, ist für viele einschneidend, weil sie sich ohnmächtig der Übermacht eines Täters hingeben müssen. Diese Übermacht nachträglich zu brechen, kann also durchaus das Leiden des Opfers lindern. Warum also keine Ahndung für Chris Rock?

Liliane Zillner ist Schauspielerin.

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