Homosexuellensegnungen: Richtige Spur, anderes Gleis

Markus Bugnyar
Was im Vatikantext "Fiducia supplicans" zwischen den Zeilen steht. Ein Gastkommentar von Markus St. Bugnyár.

"Fiducia supplicans“ legt der katholischen Welt etwas Neues vor: Fortan darf jeder Priester ein gleichgeschlechtliches bzw. „irreguläres“ Paar segnen. Formlos, kurz und knapp, außerhalb von Kirchen und Gottesdiensten. Damit niemand auf die Idee verfalle, einen solchen Segen einer Ehe gleich zu werten.

An der guten Absicht von Papst Franziskus besteht kein Zweifel. Des Öfteren hat er sich dazu bekannt, nicht Richter über homosexuelle Beziehungen zu sein. So richtig glücklich aber scheint niemand wirklich. Den einen bereitet es tiefen Kummer, anderen große Sorge.

„Fiducia supplicans“ (auf deutsch: Das flehende Vertrauen) wagt den Spagat zwischen striktem Festhalten an der Lehre und sanftem Neudefinieren. In deutschen Landen hinkt es der praktizierten Realität liberaler Pfarrer fremdelnd hinterher, in anderen Weltgegenden schäumen Bischöfe und Behörden. An beiden Enden des Spektrums finden wir eine kleine, aber laute Gruppe: Jene homosexuellen Paare, die tatsächlich an ihrer Kirche leiden, und jene Konservativen, die nicht begreifen, dass sich die Lehre immer schon reformierte, um die eine Botschaft Jesu jeder Generation plausibel zu machen. Nicht der Wortlaut, der Sinn zählt. Schließlich steinigen wir auch keine Ehebrecher mehr.

Autorität

Die Fußnoten erhellen die Methodik von Fiducia supplicans. Einleitend werden Bibel- und Konzilstexte zu „Segnen“ bemüht; im Hauptteil schöpft die römische Behörde unter Kardinal Víctor M. Fernández aus Zitaten seines Landsmannes Papst Franziskus. Solch Zirkelschluss ist kirchlich legitim. Fernández betont, seine Aufgabe wäre, die Lehre der Kirche mit der Meinung des regierenden Papstes in Einklang zu bringen. Das Wort des Papstes als höchste Autorität entscheidet am Ende alleine alles. Wozu dann aber jahrelange synodale Prozesse mit Hunderten Delegierten, wenn Dokumente von solch globaler Sprengkraft im Alleingang möglich sind?

Der Heilige Vater ist auf dem richtigen Weg, wenn auch auf einem anderen Gleis. Er ermutigt zum Hinhören, zu kreativen Lösungen, bei denen jede und jeder gleiches Wort und Stimme hat; auch das Wort Gottes und die Tradition. Dafür nimmt Franziskus Kritik und Minimallösungen in Kauf. Fiducia illustriert seine Methodik, wie er den Sprung ins Heute schaffen möchte. Allein: Er steht sich – als Papst – selbst im Wege dabei.

Solange man als Papst lediglich als koloriertes Bild an der Wand zu hängen oder milde von einem Balkon zu lächeln hatte, besorgte ein Heer von Priestern die Verwaltung, erwog Entscheidungen, die Jahre brauchten, um überall Gestalt anzunehmen. Aber tatsächlich regieren musste man einst nicht. Papst und Kaiser konnten debil oder konstant auf der Jagd sein: Ihr physisches Existieren reichte aus, um das Werkl zusammenzuhalten. Das geht in unserem digitalen Weltdorf nicht mehr, in dem jedes Wort innert Sekunden zur globalen Schlagzeile wird.

Globale Antwort

„Fiducia“ antwortet global auf eine Herausforderung, die eine regionale ist. Von Amtswegen gilt des Papstes Wort aber allerorten jederzeit. Als einzelner Mensch ist man damit notwendigerweise überfordert. Fiducia geschrieben nur für Mitteleuropa hätte weiter gehen können, ohne für andere Gegenden von Belang zu sein.

Will man die Lehre der Kirche an Zeit und Menschen anpassen, dann muss (was er tut) der Papst den Bischöfen zugestehen, sich vor Ort besser auszukennen. Wenn einige ihm beipflichten, wäre es so legitim wie der Widerspruch anderer. Verloren wäre nichts, alles aber gewonnen. Dies setzt Bischöfe voraus, die ihr Ohr am Menschen haben und sich deren (nicht nur jenes Roms) Vertrauen erarbeitet, sich als „Mittler und Manager“ bewährt haben. Neu wäre so ein Bestellmodus in der Geschichte nicht; den Traditionalisten ins Zierkissen gestickt.

Weniger Zentralismus

Nach „Fiducia supplicans“ braucht es im Grunde einen Rückbau päpstlichen Zentralismus (trommelt Franziskus nicht genau das?) bei gleichzeitiger Stärkung der Ortskirchen. Wenn sich hernach eine in der Bewahrung der Lehre Jesu verrennt, dann wird sie eben untergehen. Andere werden aufblühen.

Markus St. Bugnyár ist Priester der Katholischen Kirche und Rektor des Österreichischen Hospizes zur Heiligen Familie in Jerusalem

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