Hamas-Terror in Israel: Die Opfer auf fremdem Boden

Markus Bugnyar
Im Krieg zeigt sich ein unterschiedlicher Umgang mit den Toten. Ein Gastkommentar zu Allerheiligen von Michael Bugnyár aus Jerusalem.

Die Zahl der Toten und Verletzten wird stündlich nach oben korrigiert. Auf beiden Seiten; bei Israelis und Palästinensern. Sie wird weiter steigen. In keine Statistik allerdings fließen die etwa 1.500 Hamas-Terroristen ein, die am 7. Oktober die Grenze zwischen Gaza und Israel überwunden haben. Viele davon sind getötet worden und nach wie vor auf israelischem Boden.

Nun könnte man meinen, diese wären doch ein Pfand für Verhandlungen mit der Hamas. Man sollte annehmen, dass deren Familien ebenso ihre Angehörigen zurückhaben möchten, um ihnen ein Begräbnis zukommen zu lassen, wie es Sitte und Religion vorschreiben. Derlei Austausch hat es in der Vergangenheit gegeben. Tote gegen Tote, Lebende gegen Tote.

In Israel gilt das Prinzip: Jeder/jede wird nach Hause geholt, ob tot oder lebendig. Auch der tote Körper behält seinen unverwechselbaren Wert. Im Judentum ist jedes Grab unantastbar, wird nur einmal belegt und nie wieder aufgelöst. Das Judentum sieht deshalb Kremierungen äußerst skeptisch, denn der Körper muss unversehrt für die Auferstehung bewahrt werden. Die Hochöfen der Nazis, die Hinrichtungen der Hamas sind für gläubige Juden nicht nur die Hölle auf Erden, sondern auch eine theologische Zumutung.

Im Katholizismus war es einst sehr ähnlich; doch wie vieles andere haben sich auch unsere Bestattungsriten den Gepflogenheiten von Welt und Zeit angepasst.

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Für die Hamas sind die Leichen der Terroristen vernachlässigbar. In den Familien mag es Ausnahmen geben, sie bestätigen allerdings die Regel. Der gravierende Unterschied ist: Sie sind aus deren Perspektive eines „Heldentodes“ gestorben, werden als „Opfer im Befreiungskampf“ gefeiert und erhalten bereits den „versprochenen Lohn des Himmels“. Was mit ihren sterblichen Überresten geschieht, ist nachrangig. Soll Israel sie behalten. Sie leben ohnehin bei Gott.

Ein muslimischer Freund erklärte mir: „Siehst du, das ist der Unterschied zwischen jenen, die tatsächlich an die Auferstehung als greifbare Realität glauben, und jenen, die das nicht tun.“ Er sieht sich natürlich auf der Seite der Rechtgläubigen.

Ein Spaziergang über jedweden christlichen Friedhof reicht, um ihm recht geben zu müssen. Unsere Gräber sind Denkmäler für die Ewigkeit, in Stein gegossenes Bekenntnis, dass mit dem Tod alles aus ist, denn das Grab selbst muss die Zeiten überdauern. Gemeinhin sinkt unsere Hoffnung auf Leben nach dem Tod auf Kalenderspruch-Niveau: „Du wirst weiterleben in unseren Herzen.“ Na herzlichen Glückwunsch! Darauf will ich nicht angewiesen sein: Dass mein ewiges Leben davon abhängt, dass sich freundlicherweise ein anderer Sterblicher meiner erinnert.

Da baue ich schon lieber darauf, dass sich ein unsterblicher Gott meiner erbarmt und in seine Arme ruft. Sehr gerne mit jedem einzelnen Knöchelchen, das zu mir gehört und mich ausmacht.

Markus Bugnyár ist Priester der Katholischen Kirche und Rektor des Österreichischen Hospizes zur Heiligen Familie in Jerusalem

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