Gebeutelte Staatsfinanzen: Mut zum Tabubruch!

PG ÖSTERREICHISCHE NATIONALBANK (OENB): "GESCHÄFTSBERICHT 2022"
Diese Einladung zur kreativen Budgetsanierung sollte man annehmen. Ein Gastkommentar von Christian Felber.

In Anbetracht des Budget-Konsolidierungsbedarfs in der Höhe von 24 Milliarden Euro bis 2028 empfiehlt der Fiskalrat eine Debatte ohne „Tabus“. Dieser Einladung kann Folge geleistet werden. Es gibt eine Ausgabenposition, die bisher von niemandem infrage gestellt wurde: der Zinsendienst für die Staatsschulden. In den Jahren 2025–’28 wird er laut Fiskalrat auf 34 Milliarden Euro ansteigen – zehn Milliarden mehr, als für die Sanierung benötigt werden. Handelt es sich bei diesen Staatsausgaben um ein Naturgesetz? Natürlich nicht, denn Geld wurde vom Menschen erfunden, somit ist jedes einzelne Rädchen im Geldsystem änderbar.

Gebeutelte Staatsfinanzen:  Mut zum Tabubruch!

Christian Felber

Die aktuelle Angewohnheit des Staates, sich – mitunter ausgesprochen teuer – bei privaten Banken zu verschulden anstatt direkt zum Nulltarif bei der eigenen Hausbank, der Zentralbank, ist eine Finanzregel, die dem Hyperinflationstrauma der Zwischenkriegszeit geschuldet ist. Doch so sinnvoll die Vorbeugung gegen eine verheerende Flut ist, so segensreich kann ein gerüttelt Maß vom Guten sein. Deshalb könnte das Totalverbot der direkten Staatsfinanzierung durch die Zentralbanken in Artikel 123 AEUV überdacht und bis zu einer nicht inflationsgefährdenden Obergrenze – z. B. 60 Prozent des BIP – erlaubt werden. Dann könnten drei Viertel der österreichischen Staatsschulden (aktuell 80 Prozent des BIP) durch zinsfreie Kredite von der Zentralbank ersetzt werden, das würde den Zinsendienst für die Staatsschulden in den nächsten vier Jahren um 27 Milliarden Euro senken.

Eine EU-Vertragsänderung ist ein ziemlich aufwendiges Verfahren, das dauern würde. Sonst spricht aber nur ein Argument gegen diese fällige Reform: Der Widerstand der Profiteure von Staatsschulden. Denn darauf anfallende Zinsen sind ein leistungs- und nahezu risikofreies Einkommen, das ganz überwiegend den Vermögenden zugutekommt. Diese verstecken sich gerne hinter der Oma mit dem Sparbüchl. Doch halten die privaten Haushalte in Österreich lediglich 0,4 Prozent der hiesigen Staatsschulden. Hauptgläubiger ist mit 64,5 Prozent das Ausland, danach kommen Zentralbank und Geschäftsbanken im Inland. Bei einer Reform hätten wenige Vermögende das Nachsehen, die Allgemeinheit würde gewinnen. Im Unterschied zur Vermögenssteuer – mit gleichem Effekt – müsste nicht Erworbenes besteuert werden, sondern es würde ungerechtfertigte Aneignung erst gar nicht stattfinden.

Bilanztechnisch ist der heutige Umweg der Staatsfinanzierung über private Banken genau das: ein unnötiger Umweg. Denn die privaten Geschäftsbanken, die dem Staat heute verzinste Staatsanleihen abkaufen, können das nur mit Geld tun, dass sie sich zuvor bei der Zentralbank ausleihen: Zentralbankgeld. Es wäre deutlich einfacher, dass die „Hausbank des Staates“ diesem direkt Kredite gewährt. Zur Tätigung wichtiger Ausgaben – oder wenigstens zur Sanierung des Budgets.

Christian Felber ist Buchautor („Geld – Die neuen Spielregeln“, Zsolnay), Mitbegründer von Attac Österreich und Initiator der Gemeinwohl-Ökonomie.

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