Freiheitliche an die Macht?
Wer kennt nicht das Lied des deutschen Musikers und Sängers Herbert Grönemeyer „Kinder an die Macht“? In freier Assoziation zum Titel wäre dazu das soziodynamische Gesellschaftsexperiment „Freiheitliche an die Macht“, fernab aller Kassandrarufe aus vorwiegend linken Initiativen von Künstlern, einer Literaturnobelpreisträgerin und anderen, die ihre Freiheiten in Gefahr wähnen, zu verstehen. Böse Zungen aus dem rechten Spektrum wie der FPÖ könnten sich zur Annahme hinreißen lassen, dass ebenjene nur ihre eigenen schwer erarbeiteten Pfründe und Netzwerke bedroht sehen. Aber dies würden natürlich nur „Rechtsextreme“ in ihrer Eindimensionalität so wahrnehmen.
In einer interessanten Debatte auf dem Privatsender ServusTV sah der Chef der Wiener Festwochen, Milo Rau, metaphorisch übertrieben gedeutet durch die „Intellektuellen vom Dorf“ sogar die freiheitliche Grundordnung gefährdet. Und der honorige Medienmanager Gerhard Zeiler macht in einem Gastkommentar im KURIER eine progressive Regierung links und rechts der Mitte als heilsame Intervention für unsere Gemeinschaft aus. Doch warum nicht wieder einmal die sogenannten „Intellektuellen vom Dorf“, wie Teile der FPÖ aus der Sicht mancher Opponenten kategorisiert und stigmatisiert werden, an die Schalthebel der Macht im Verständnis eines „quod esset demonstrandum“ (was zu beweisen wäre) lassen? So könnte man im wissenschaftlich-realistischen Sinne die genannten negativen Hypothesen auf ihren Wahrheitsgehalt hin prüfen.
Analysiert man sachlich die vergangenen Regierungsbeteiligungen der Freiheitlichen und die damit verbundene Arbeit und Leistung, so fällt das Ergebnis nicht gerade positiv für das dritte Lager aus. Alles andere als nachhaltig waren die letzten Bundesregierungen unter Teilnahme der Freiheitlichen Partei Österreichs, die jedes Mal mangels differenzierten und entwickelten Personals desillusioniert übrig blieb, wodurch die Furcht vieler gerechter Retter der Gesellschaft mehr als unbegründet erscheint.
Die ÖVP kann und konnte sich durch eine freiheitliche Regierungsbeteiligung wieder neu aufladen, denn der Vorteil an qualitativen Personalressourcen, die sich bereits im System befinden, liegt klar auf ihrer Seite.
Was spricht nun gegen eine Beteiligung der FPÖ und deren Kader an – frei nach Rau – „Dorfintellektuellen“? Außer man hat die Angst, dass sich jene unter Herbert Kickl signifikant personell und substanziell weiterentwickelt haben. Die Demokratie und ebenso die Bürger und Institutionen des Staates sind stark und intelligent genug, um nicht einer infantilen, pseudoautoritären Führungsphilosophie zu verfallen. Die FPÖ kann dann sukzessive demonstrieren, wie sie in einer Koalition die Probleme wie Inflation, Integration, Migration, Bildung und viele mehr in souveräner Form löst.
Was zu beweisen wäre.
Daniel Witzeling ist Psychologe, Sozialforscher und Leiter des Humaninstituts Vienna.
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