EU-Lieferkettengesetz: Europa im Barbie-Land

EU-Unternehmen sollen auf Einhaltung von Menschenrechten bei Zulieferern aus aller Welt achten
Mit dem Lieferkettengesetz betreibt die EU Wohlfühlkolonialismus. Ein Gastkommentar von Hanno Lorenz.

Während China und die USA die digitale Revolution unter sich ausmachen, will Europa die Welt retten. Nach zähen Verhandlungen und gewieftem Paktieren konnten die Italiener doch zur Zustimmung bewegt werden: Das Lieferkettengesetz wurde mehrheitlich von den EU-Ländern beschlossen und muss jetzt nur noch durch das Europaparlament.

Dass es überhaupt Überzeugungsarbeit brauchte (auch Deutschland und Österreich waren nicht überzeugt), halten Befürworter für einen Skandal. „Wer gegen das Lieferkettengesetz ist, der ist für Kinderarbeit“, lautet ein populäres Argument. Schließlich soll mit der Regelung sichergestellt werden, dass sich die Zulieferer von europäischen Konzernen an arbeitsrechtliche Mindeststandards halten und die Umwelt schützen. Große Betriebe retten auf EU-Initiative die Welt – ist es wirklich so einfach?

EU-Lieferkettengesetz: Europa im Barbie-Land

Hanno Lorenz

Leider nein. Dergleichen funktioniert nur in Barbie-Land, nicht im richtigen Leben. Selbstverständlich muss es das Ziel sein, Kinderarbeit zu verhindern, möglichst viele Menschen aus dem Elend zu holen und den Klimaschutz voranzutreiben. Doch die Vorstellung, dass es dafür nur gesetzliche Vorgaben braucht, ist reichlich naiv. Wäre das möglich, hätten wir es hoffentlich längst getan.

Das Lieferkettengesetz will europäische Unternehmer zu Aufsehern über die globale Wirtschaft machen. Weil die geforderten Kontrollen kaum durchführbar sind, werden sich viele Konzerne aus den ärmsten Gegenden der Welt zurückziehen – und die Menschen dort noch ärmer machen. Wir treiben die betroffenen Länder damit in die Abhängigkeit von Vertragspartnern aus China, denen unsere europäischen Standards wenig Kopfzerbrechen bescheren. Und weil jeder Schritt umfassend dokumentiert werden muss, produzieren europäische Unternehmen dann glänzende Broschüren, in denen sie nachzuweisen versuchen, was sie nicht alles für die Menschheit und den Planeten getan haben. Wirklich geholfen wurde aber niemandem. Das ist nichts anderes als Wohlfühlkolonialismus.

Auch Europa selbst wird das Lieferkettengesetz langfristig schaden. Die ohnehin schon ausufernde Bürokratie bekommt einen weiteren Schub, dafür leidet das Wachstum unter dem Rückbau der Globalisierung. Den Konsumenten werden die Konsequenzen ebenfalls schnell auffallen – nämlich dann, wenn die Preise für wichtige Produkte steigen. Oder nennen wir das dann Degrowth und freuen uns, weil die schwächelnde Konjunktur dem Klima guttut?

Die EU wurde einst als gemeinsames Wirtschaftsprojekt begründet. Das Prinzip: Steigender Wohlstand schafft jene Ressourcen, die zur Lösung globaler Probleme benötigt werden. Mit dem Lieferkettengesetz zäumen wir das Pferd von hinten auf. Wenn das die Zukunft der EU sein soll, dann haben wir ein Problem – und zwar eines, das sich mit neuen Gesetzen nicht wegregulieren lässt.

 

Hanno Lorenz ist Ökonom beim wirtschaftsliberalen Thinktank Agenda Austria.

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