Es reicht!

Es reicht!
Warum müssen die Kinder das Unvermögen andere ausbaden?

Wie kommen unsere Kinder dazu? Und wir Eltern? Es kann doch nicht sein, Schüler*innen, die aus bekannten Gründen den Präsenz-Unterricht meiden, ein derart mieses Gefühl, ein schlechtes Gewissen und obendrein eine immense Arbeitsüberforderung zu verpassen? Ich lass es mir gerade noch einreden, als Geimpft- & Geboosterter aus Solidarität für meine Mitmenschen zum vierten Mal alles abzusagen, Zuhause zu bleiben. Obwohl es nach bald 650 Tagen Pandemie, Gratistests, Gratisimpfungen, usw. irgendwann auch einmal Schluss sein muss mit dem guten Willen.

Die Impfpflicht besteht nämlich bereits seit Zulassung der Impfung: Die Pflicht, auf uns und unsere Mitmenschen zu achten, auf die Tragfähigkeit unseres Sozialsystems. Die Pflicht, zu erkennen, welch privilegierte Situation es ist, überhaupt diese Impfung zu besitzen und folglich dafür sorgen zu können, ein Land nicht an die Mauer zu fahren.

Ich lass es mir schon deutlich schwerer einreden, aufgrund meiner Solidarität neuerlich auf Einkommen verzichten zu müssen. Gondeln und Sessellifte mit Sitzheizung und Wetterschutzhauberl sperren auf, Buchhandlungen, Kulturstätten etc. zu, trotz 2-G plus.

Frage: Wenn wir Österreicher*innen schnell in Skischuhe, Helm, Skibrille schlüpfen, dürfen wir dann alle wieder in die Arbeit stapfen?

Die Rückgratlosigkeit der Entscheidungsträger auf dem Rücken unserer Kinder austragen zu lassen aber kommt nicht in Frage. Wie kann man sich damit brüsten, es wären ja haufenweis Schüler*innen in den Präsenzunterricht gekommen, ohne darauf hinzuweisen, warum!

Weil haufenweis Schüler*innen Angst haben, etwas zu versäumen, nicht mehr mitzukommen, weil sie massiven Druck erfahren, organisatorisches Chaos, weil sie gönnerhaft hören: „Wenn die Kinder oder Eltern es wollen, können sie auch Zuhause bleiben!“ Es muss aber lauten: „Wenn die Kinder oder Eltern es wollen, können die Kinder auch in die Schule kommen, besser wäre es, Zuhause zu bleiben! Es gilt: Keine Tests und Schularbeiten, kein neuer Stoff.“

Oder wurde der 4. Lockdown ausgerufen, nur um dem eignen Unvermögen einen Namen zu geben? Wenn hier jemand dringend Präsenzunterricht braucht, dann jene, die den Pferden ihr Entwurmungsmittel wegschlucken und mit Aluhüten auf den Köpfen die NS-Zeit verharmlosen.

Jene, die jegliche Verantwortung ihren Mitmenschen gegenüber verweigern, dabei sehenden Auges Existenzen ruinieren, sich aber trotzdem im Notfall die Rosinen herauspicken wollen, in allen Belangen. Von jeder finanziellen Unterstützung bis Intensivstation. Jetzt also putzt man sich an den Kindern ab, steckt die Hände in den Sack und verkündet: Reduziert zwar Kontakte, aber macht dabei mit Euren Gschrappen was ihr wollt.

Geht’s noch? Es reicht!

Thomas Raab ist Schriftsteller und Drehbuchautor.

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