Eine Ära der Irren

Eine Ära der Irren
Boris Johnson ist weg – Beruhigung ist nicht in Sicht

„Es ist vollbracht!“ Mit diesen Worten an die Presse fand die Zeit von Boris Johnson, der an der wohl ikonischsten Adresse in London, ein Ende. Wenn die Zeit eines Premiers vorbei ist liegen sprichwörtlich ein Glas Whisky und ein Revolver auf den Schreibtisch. Johnson trank den Whisky und ließ den Revolver lange Zeit, wo er war. Was also tun, wenn althergebrachte Konventionen einfach ignoriert werden? Boris Johnson war bekannt dafür, die Regeln immer dann zu ändern, wenn es ihm gerade passte.

In ihrer Verzweiflung, Johnson endlich los zu kriegen, zogen nun seine Widersacher genau dieselbe Strategie in Betracht. Das mächtige aber völlig intransparente Komitee, dass damit betraut war, ihn in die Wüste zu schicken, zog ernsthaft in Erwägung, die Regeln zu ändern, um ein neues Misstrauensvotum einzuleiten. Und auch der Rücktritt war nicht genug. Konventionsgemäß bleibt ein abtretender Premierminister so lange im Amt, bis ein Nachfolger gefunden wurde. Aber Johnsons Gegner wollte seine sofortige Demission. Jene, die seit Monaten bemängelten, dass Johnson nichts tat, fürchteten auf einmal, er würde aktiv werden und beginnen, sein Programm (das nicht existiert) umzusetzen.

Dadurch schaffte es Johnson, seine Rivalen auf dasselbe Niveau an schmutzigen Taschenspielertricks herunterzuziehen. Dieses Schauspiel hält nun einige Lektionen für die Zukunft bereit: Die Konservativen sollen die Regeln für den Wahlmodus der Parteispitz zu überarbeiten. Johnsons Fans sagen er wurde von 14 Millionen Wählerinnen und Wählern gewählt. Seine Nachfolge bestimmen nun rund 140.000 überwiegend ältere Parteimitglieder, die aus meist wohlhabenden Teilen Südenglands stammen. Darüber hinaus braucht das Land Richtlinien bezüglich einer Übergangsregierung, die klar die Befugnisse der Minister regeln.

Johnson sprach mit seiner Art viele im Norden Englands an, die von der Politik enttäuscht sind. Viele denken, dass ihnen „ihr Mann“ von den Linken in den Medien gestohlen wurde. Die Anti-Establishment-Elite ist öfters im Einklang mit der Arbeiterschicht als es zunächst den Anschein hat. Beide schaffen es, sich über den albernen Snobismus der Aristokratie lustig zu machen und paradoxerweise dennoch mit Begeisterung die britische Fahne hochzuhalten und „Rule Britannia“ zu singen. Der neue Parteiobmann/Frau muss schnell für den industriellen Norden ansprechend sein.

Rishi Sunak, ein Favorit und steinreich, gibt zwar für seine Sneakers mehr aus, als die staatliche Pension ausmacht, könnte aber mit seiner Hingabe zur Details überzeugen. Die Tories sind in Schottland verhasst und die Politik in Nordirland ist paralysiert. Johnson wird bald seinen Cricket Schläger in der Downing Street packen. Die britische Ära der Irren ist damit aber noch lange nicht beendet.

Melanie Sully ist britische Politikwissenschaftlerin.

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