Ein Jahr King Charles: Es lebe der Stillstand

Ein Jahr King Charles:  Es lebe der Stillstand
Großbritannien fehlt noch immer eine Zukunftsperspektive. Ein Gastkommentar von Melanie Sully.

Mit dem Tod von Elizabeth II. am 8. September 2022 wurde Prinz Charles plötzlich König und Staatsoberhaupt. Kurz danach wurde ein Neuling, Rishi Sunak, als Premier gekrönt. Großbritannien hatte eine lange Phase der politischen und wirtschaftlichen Turbulenz hinter sich. Die Aufgabe der beiden war, für Ruhe und Stabilität zu sorgen. Das haben sie im Großen und Ganzen brav gemacht – aber es fehlt noch immer eine Zukunftsperspektive, die das Land vorwärtsbringen könnte.

Der König machte in seinen ersten Aussagen klar, dass er nicht an eine Abdankung denkt. Aber was nun? Neue Amtsträger versprechen meistens entweder „Keine Experimente“ oder proklamieren: „Es ist Zeit für Veränderung“. Von Charles hat man beides erwartet, denn nur so hat die Monarchie eine Chance zu überleben. Dasselbe gilt für Rishi Sunak und seine schwer angeschlagenen Tories.

Charles hat das Thema Klimaschutz lange als Priorität betont. Ihm wurde aber von der Regierung abgeraten, an einer großen Klimakonferenz teilzunehmen, also blieb er zu Hause. Die britische Monarchie soll als integratives Element fungieren. Man soll vor allem in Zeiten der zunehmenden Polarisierung nicht in den politischen Ring steigen. Vor einem Jahr gab es mehr Konsens über das Thema Klimaschutz als heutzutage. Die Meinungen darüber waren damals Mainstream und Charles war nicht mehr der Exot, der mit seinen Pflanzen geredet hat. Mittlerweile herrscht Skepsis unter einigen, ob Klimaschutz so bedeutungsvoll ist. Vor allem verschärft sich die Kontroverse, wer dafür zahlen soll. Klimaschutz wurde politisiert und dieser Trend hilft einem König, der als Reformer punkten will, überhaupt nicht.

Viele waren stolz, dass mit Sunak es jemand mit Migrationshintergrund geschafft hat in 10 Downing Street einzuziehen. Charles war auch bemüht, das Thema Diversität in den Vordergrund zu stellen, wie bei seiner Krönung zu bemerken war. Aber auch dieses Thema ist in der Zwischenzeit umstritten. Nicht nur die neue Rechte trommelt, dass politische Korrektheit übertrieben wird. Der König hat eine Kommission einberufen, welche die dubiöse Vergangenheit des Empire beleuchten soll. Es wird drei Jahre dauern, bis ein Ergebnis vorliegt. Der Monarch wird dabei dazu gedrängt werden, sich für die Sklaverei zu entschuldigen. Aber Sunak bremst. Ohne die Kooperation der Regierung ist der Monarch in seinen Aussagen sehr eingeschränkt.

Premier Sunak hat zwar die britische Wirtschaft stabilisiert, aber in vielen anderen Bereichen – hohe Steuern, Inflation, Migration und Spitalsreform – tritt er auf der Stelle. Charles hat es geschafft den Übergang von der elisabethanischen Ära zu meistern, aber die Relevanz dieser Institution ist noch immer nicht klar. Für ihn und seinen Premier bleibt wenig Zeit, zu zeigen, wie die Zukunft Großbritanniens gestaltet werden könnte.

Melanie Sully ist britische Politologin und lebt seit Langem in Österreich.

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