Dumpfer Populismus

Dumpfer Populismus
Ein strengeres Staatsbürgerschaftsrecht löst keine Probleme. Ein Gastkommentar von Alexander Ackerl.

Steiermarks Landeshauptmann Christopher Drexler (ÖVP) forderte am Sonntag „strengere“ Einbürgerungsregeln, um den „Import“ von Antisemitismus, Homophobie und Frauenfeindlichkeit zu stoppen. Die verkürzte Frist von sechs Jahren sei zu überdenken, ein vertieftes Gespräch solle die „Akzeptanz unserer Werte“ überprüfen.

Angenommen, die zugrundeliegende These vom „Import“ abzulehnender Werte wäre korrekt. Was konkret würde eine Verschärfung des Staatsbürgerschaftsrechts daran ändern? Österreichs Rechtslage ist bereits eine der restriktivsten der Welt und Menschen beeinflussen ja wohl ihre Wohnort-Gesellschaft ganz unabhängig von ihrem Reisepass. Wie soll sinnvoll und objektiv überprüft werden, ob „unsere Werte“ vom Antragssteller übernommen wurden? Der Hausverstand sagt einem, dass dies bis auf Extrembeispiele (z. B. Händeschütteln mit Frauen) kaum möglich ist und letztlich in Beamtenwillkür endet.

 

Der Landeshauptmann wird in Bezug auf die aktuellen Anträge zitiert, es sei auffällig, dass gerade Menschen mit türkischen, syrischen und afghanischen Pässen vorstellig würden. Aber wer soll denn sonst einen Antrag auf Staatsbürgerschaft stellen? Steirer?

Diese dumpfe, populistische Strategie wird von der ÖVP (insbesondere in Wien) aktuell gerne verfolgt und entfernt uns immer weiter von jedem sachlichen Dialog über Integration und Teilhabe in unserem Land. Stattdessen setzt man gemeinsam mit der FPÖ auf immer krassere Polarisierung und entledigt sich jeglicher vernünftigen Argumentation. Schlagzeilen sind die Hauptsache, während man ungeniert mit Udo Landbauer koaliert, dessen Burschenschaft von der versäumten „siebten Million“ sang.

Kein mir bekannter Vorschlag der ÖVP geht etwa auf das gewaltige Problem ein, dass ein Drittel der Wienerinnen und Wiener über 16 Jahren nicht wählen dürfen. Das sind eine halbe Million Menschen (Zehntausende sind hier geboren), die a priori von Mitbestimmung und Teilhabe ausgeschlossen sind. In ganz Österreich sind es übrigens bereits 1,4 Millionen Menschen. Ihnen fehlt die Staatsbürgerschaft meist nicht aufgrund mangelnder Identifikation mit „unseren Werten“, sondern weil sie als Arbeiter:innen schlicht nicht genug Geld verdienen, um die Voraussetzungen des angeblich „strengen“, in Wahrheit schlicht unfairen, Staatsbürgerschaftsgesetzes zu erfüllen.  

Die ÖVP darf selbstverständlich gegen vorgebrachte Reformvorschläge sein, als vermeintlich staatstragende Partei sollte sie jedoch mindestens alternative Ideen vorlegen, wie man das immer größer werdende demokratische Defizit in unserem Land beheben könnte.

Zu guter Letzt stellt sich die Frage, ob der Status quo im Staatsbürgerschaftsrecht nicht genau jene „Parallelgesellschaften“ mitbefördert, deren Verhinderung man sich bei ÖVP und FPÖ auf die Fahnen schreibt? In einer Demokratie kommen die Leute „übers Reden zam“, wie es so schön heißt. Der politische Austausch schafft Verständnis, das Recht auf Teilhabe Engagement. Und für politische Parteien wäre es dann soweit, diese Bevölkerungsschichten ernsthaft anzusprechen und Überzeugungsarbeit, also auf Augenhöhe Wertearbeit zu leisten. Vielleicht redet ein Landeshauptmann Drexler in Zukunft dann mit den Menschen, statt über sie

Alexander Ackerl ist Jurist und Landesvorsitzender der Jungen Generation in der SPÖ Wien.

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