Die Mär von der "Gierflation"

Die Mär von der "Gierflation"
Lebensmittelproduzenten müssen die Grundprodukte oft Monate im Voraus kalkulieren.

Obwohl die Inflationsrate in Österreich zuletzt wieder gestiegen ist, soll sie sich im Jahresdurchschnitt deutlich unter der Zehn-Prozent-Marke einpendeln. Trotz des prognostizierten Abwärtstrends werden die Preise für Lebensmittel aber vermutlich weiterhin steigen bzw. steigen müssen.

Der daraus resultierende Unmut ist verständlich; den Lebensmittelherstellern (oder dem Handel) die Schuld in die Schuhe zu schieben, ist es nicht. Sie tun ihr Möglichstes, um ihre stetig steigenden Kosten nur wo unbedingt notwendig an die Konsumentinnen und Konsumenten weiterzugeben – und haben das bereits vor der Rekordinflation getan, als ihnen Lieferengpässe, Ernteausfälle und Exportbeschränkungen enorm zusetzten.

Angesichts dieser Anstrengungen, die im öffentlichen Diskurs nur selten auftauchen, ist die Mär von der „Gierflation“ gerade für KMUs wie uns beleidigend. Dass Lebensmittelproduzenten die aktuelle Lage nutzen, um sich zu bereichern, mag fallweise zutreffen. Generell ist die anhaltende Teuerung aber eine Konsequenz der global veränderten Marktsituation. Einer der Hauptgründe liegt in der Versorgungssicherheit. Ein Beispiel: Wir stellen jährlich über 6.000 Tonnen Ketchup her und das hauptsächlich aus italienischen Tomaten bzw. Tomatenmark.

Um für das Jahr 2024 durchgehend und in ausreichender Menge verfügbares Ketchup garantieren zu können, muss das Tomatenmark vor der Ernte, in den Monaten März bis Juni, angekauft werden. Die Lieferung erfolgt im Normalfall ab September – wir müssen folglich bis September 2024 und damit 15 Monate im Voraus kalkulieren. Das bedeutet auch, dass das Tomatenmark für das aktuell im Handel befindliche Ketchup vor zwölf Monaten zum damaligen Preis gekauft wurde. Dieser war hoch (Ukraine-Krieg und Energiekrise hatten gerade begonnen) – und dürfte es leider auch bleiben.

Aufgrund der aktuellen Trockenheit in Europa ist für viele Lebensmittel mit weiteren Teuerungen zu rechnen. Erst wenn sich die Situation beim Ankauf vergleichsweise normalisiert, sinken die Kosten für Lebensmittelhersteller. Bei den Konsumentinnen und Konsumenten kommt das erst zeitverzögert an.

Was aber können wir sofort tun? Zunächst einmal die Lebensmittelhersteller nicht zum Sündenbock machen, sondern gemeinsam nach einer Lösung suchen. Diese besteht für mich nicht darin, die Mehrwertsteuer zu senken. Zielführender wäre eine vernünftige Energiestrategie, um mit den Energiepreisen auch die Kosten für Verpackung, Produktion und Agrarwirtschaft – Stichwort Dünger – zu verringern. Energie war der größte Treiber für die gesamte Preisentwicklung, auch abseits des Lebensmittelsektors. Zudem halte ich gezielte Förderungen für sozial schwache Haushalte für sinnvoll, die vom Gießkannenprinzip wegführen und dort ankommen, wo sie wirklich dringend benötigt werden.

Peter Spak ist Eigentümer eines führenden österreichischen Saucenherstellers

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