Die Löwin
Das im Jahr 1889 eröffnete und von den bekanntesten Theater-Erbauern Helmer und Fellner geplante Deutsche Volkstheater steht auf dem unübersehbaren Arthur-Schnitzler-Platz, umgeben von der Ferdinand-Raimund-Statue und dem nicht weniger bekannten Café Raimund. Es war eines der größten Theater im deutschsprachigen Raum, und es sollte ein Gegenstück zum Kaiserlichen Hofburgtheater, dem heutigen Burgtheater, sein.
In den Direktionen von Leon Epp, Gustav Manker bis Emmy Werner gab es für manche Vorstellungen keine Karten mehr an der Abendkasse. Dann wurde der Zuschauerraum von einer Direktion zur anderen stets verkleinert, zuletzt bei der jetzigen Direktion. Die Auslastung, sprich die Anzahl der verkauften Karten, ist auf unter die Hälfte der Kapazität gesunken. Sämtliche österreichische Kritiker berichten laufend äußerst negativ über den derzeitigen, von der Kulturstadträtin installierten, aus Dortmund kommenden Direktor Voges.
Ein Wiener Journalist verfasste treffenden Aphorismus, indem er diese Stadträtin mit einer Löwin vergleicht. Dieser veranlasste mich zu folgendem Kommentar. „Die Löwin“ verteidigt ihre eigenen Kinder, aber die Kinder, die unsere „Kulturstadtlöwin“ verteidigt, sind Kinder, die nicht sie ernährt. Das von allen anderen – sprich den Steuerzahlern – gut und üppig ernährte Volkstheater unter der Führung des von der „Löwin“ geholten Ex-Dortmunder Intendanten hat bei gleicher Ernährung, also Subvention, immer weniger Zuschauer.
Die Stadträtin lobt die neue Volkstheater-Direktion, indem sie auf deren Auszeichnungen von Produktionen beim Berliner Theatertreffen hinweist. Ein Blick über den Zaun ist durchaus positiv, doch davor sollte man innerhalb des Zauns Positives schaffen. Wie leer musste das um viel Geld renovierte Wiener Volkstheater noch werden, damit es in Berlin ausgezeichnet wird?
Immer noch geht man ins Theater unter anderem auch deshalb, um beliebte und bekannte Schauspieler zu sehen. Heute kennt das Wiener Publikum nicht mal einen oder eine der darstellenden Künstler oder Künstlerinnen des Volkstheaters. Nur die Wiener Festwochen haben es „geschafft“, noch schlechter geführt zu werden.
Doch die Festwochen, die alles andere als festlich sind, legen immer weniger Karten auf – natürlich bei gleicher Subvention!
Das Volkstheater und die Wiener Festwochen sind städtische Einrichtungen und sie werden von Steuergeldern finanziert.
Daher trägt ihre Leitung eine Verantwortung gegenüber den Steuerzahlern, und die politischen Verantwortlichen nicht weniger. Die Subvention vom Volkstheater wird auch vom Bund mitgetragen. Also haben wir da noch oder wieder ein rot-schwarzes Pas-de-deux. Die bekannte alte Folge davon ist, dass nach guter alter Sitte keiner etwas tut.
Ioan Holender war Wiener Staatsoperndirektor.
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