Die brutale Absurdität der Tiertransporte

Die brutale Absurdität der Tiertransporte
Warum wir Verantwortung nicht abwälzen können

Eine ausgeglichene Bilanz ist normalerweise etwas Positives. Der Saldo, den die Tiertransporte in Österreich aufweisen, zeigt aber nur die brutale Absurdität des Systems Tiertransporte: Im Jahr 2019 wurden 20.210.887 lebende Nutztiere exportiert, gleichzeitig 20.537.403 Tiere importiert. 20 Millionen Tiere.

Was steckt hinter dieser unfassbaren Zahl? Jedes einzelne ein fühlendes Lebewesen, das unter teils qualvollen Bedingungen über zigtausende Kilometer, oft wochenlang, durch mehrere Länder transportiert wurde. Wie fragil das System Tiertransporte ist und wie viel Leid wirklich dahintersteckt, konnten wir bei der jüngsten Katastrophe um zwei Schiffe erleben, als fast 2.600 Rinder einen monatelangen Horrortrip auf See durchmachen und letztendlich notgeschlachtet werden mussten. Diese Rinder hätten auch aus Österreich stammen können: 2019 wurden nämlich 20.310 Tiere aus Österreich in EU-Drittstaaten exportiert, wobei rund eine Million Geflügel nicht miteinberechnet sind. Die Motivation für dieses Hin- und Hergeschiebe von lebenden Tieren ist in der Regel die Produktion unter möglichst billigen Bedingungen und die Umgehung von Tierschutzstandards. Ein gutes Beispiel dafür sind Kälbertransporte: Im Ausland ist die Mast oft billiger, und die Kälber dürfen ausschließlich mit einer Mischung aus Wasser, Milchpulver und Palmöl gefüttert werden, um das Fleisch möglichst weiß zu halten. Also werden österreichische Kälber in andere Länder zur Mast geschickt, das billige Fleisch dann wieder eingeführt.

Österreichische Konsumentinnen und Konsumenten bekommen dann in der Gastronomie weißes, importiertes Tierqual-Kalbfleisch vorgesetzt. Ohne verpflichtende Kennzeichnung ist dies für niemanden ersichtlich. Besonders lukrativ ist der Export von Zuchtrindern in Drittstaaten wie die Türkei, Aserbaidschan oder Usbekistan. Immer wieder enden diese Tiere jedoch vor Ort erst recht als Schlachtvieh. Abgesehen davon, dass sowohl Haltungs- als auch Schlachtungsbedingungen dort wesentlich niedriger sind, haben wir keine Kontrollmöglichkeit darüber, was mit ihnen vor Ort geschieht. Wir müssen uns fragen: Müssen wir wirklich immer mehr und immer billigeres Fleisch essen? Endet unsere Verantwortung für die Tiere an der EU-Außengrenze? Handeln muss dennoch in erster Linie die Politik. Ein entscheidender Schritt, um Tiertransporte langfristig einzudämmen, ist eine lückenlose Kennzeichnung aller tierischen Produkte nach Herkunft und Haltung, auch in verarbeiteten Produkten und in der Gastronomie. Parallel dazu fordern wir einen umgehenden Stopp von Lebendtiertransporten in Drittstaaten.

Österreich muss seinem Ruf als Tierschutzvorreiter endlich gerecht werden. Wir dürfen nicht zulassen, dass unter dem alles rechtfertigenden Deckmantel des freien Warenverkehrs Lebewesen systematisch gequält werden. Das wäre nichts weniger als unsere moralische Bankrotterklärung.

Eva Rosenberg ist Direktorin von Vier Pfoten Österreich.

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