Das Märchen vom Schiefergas

Das Märchen vom Schiefergas
Die Förderung heimischer Vorkommen wäre kurzsichtig

Es stimmt schon: Wir erleben eine Zeitenwende. Der Krieg in der Ukraine zwingt uns, alte Denkschablonen zu überwinden und zukunftstaugliche, kreative Konzepte zu entwickeln. Dies betrifft speziell Antworten auf die unsichere Versorgungslage von Erdgasimporten aus Russland.

Der Vorschlag der früheren Wirtschaftsministerin Margarethe Schramböck, die EU-Staaten sollen in Zukunft ihre Schiefergasvorkommen ausbeuten, gehört allerdings definitiv nicht dazu. Es mag in den Ohren mancher tatsächlich verführerisch klingen: Das Weinviertel wird zum neuen Texas, Österreich zur neuen Gas-Großmacht im Herzen Europas, die Aufstiegs- und Wachstumsgeschichte wird ohne Bruch weitergeschrieben.

Die Realität sieht freilich völlig anders aus. Beim Abbau von Schiefergas, dem sogenannten „Fracking“, wird Wasser, gemischt mit einer Vielzahl von Chemikalien und Sand, unter hohem Druck ins Gestein gepresst.

Das Verfahren benötigt große Mengen an Wasser, die Chemikalien verunreinigen das Grundwasser. Durch den hohen Druck beim Einpressen können Erdbeben entstehen. Im Zuge des Bohrprozesses kommt es zur unkontrollierten Freisetzung von Methan, einem der aggressivsten Treibhausgase. Auch bei der sogenannten „Clean Fracking Methode“ ist es mehr als fraglich, dass alle Risiken ausgeschlossen werden können. Kurzum, die Umwelt- und Gesundheitsgefahren beim Abbau von Schiefergas sind enorm.

Die Schiefergas-Planspiele widersprechen zudem eindeutig dem Ziel der Klimaneutralität Österreichs bis 2040. Selbst die OMV geht davon aus, dass Schiefergas frühestens gegen Ende dieses Jahrzehnts gefördert werden könnte, bis dahin müssten die Emissionen in Österreich allerdings bereits um die Hälfte gesunken sein.

Auch die Pläne der EU sehen einen Rückgang des Gesamt-Gasverbrauchs bis 2030 um 30 Prozent vor, danach soll der Gas-Verbrauch sukzessive weiter reduziert werden.

Wir stehen vor der riesigen Aufgabe, unser Energiesystem in den nächsten 20 Jahren komplett umzubauen. Es ist zu hoffen, dass sich der mit Vorschusslorbeeren ausgestattete “Superminister“ Martin Kocher im Gegensatz zu seiner Vorgängerin mit Konzepten auf der Höhe der Zeit einbringen wird.

Um nur drei Alternativ-Vorschläge zu machen: Was spricht angesichts der dramatisch steigenden Energiepreise gegen „das größte Energiesparprogramm aller Zeiten“ für Österreich? Wann kommt die groß angelegte Initiative für den naturverträglichen Ausbau von Erneuerbaren?

Wer ruft eine neue „Gründerzeit“ aus, die klimafitte Gebäude zum Standard im 21. Jahrhundert macht?

Der Fracking-Vorstoß gehört besser wieder dorthin, wo sich das Schiefergas selbst befindet: in 6.000 Meter Tiefe unter der Erdoberfläche.

Thomas Zehetner ist Klimasprecher des WWF Österreich.

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