Charles und die ewige Nebenrolle

Charles und die ewige Nebenrolle
Bei all dem Trubel um die Monarchie ist das britische System essenziell parlamentarisch geprägt. Ein Gastkommentar von Melanie Sully.

Sein Leben lang verbrachte König Charles in der Warteposition auf den Thron. Selbst nach seiner Krönung und nun anlässlich seines 75. Geburtstags befindet sich Charles weiterhin in einer Nebenrolle. Er musste diese Woche bei der jährlichen Eröffnung des Parlaments mit einer royalen Distanziertheit das Regierungsprogramm vorlesen, auch wenn er selber eine gegenteilige Meinung vertritt.

Neben all dem Pomp und Zeremoniell der Monarchie besteht das britische politische System essenziell aus dessen parlamentarischer Natur, deren zentrale Nervenstränge zwischen Westminster und der Downing Street hin- und herlaufen. Vor dem Eingang zum Parlament steht eine Statue Oliver Cromwells, eine markante Erinnerung einer vergangenen republikanischen Zeit.

Großbritannien ist ein Oxymoron zwischen Vergangenheit und Gegenwart, Republik und Empire, und noch immer unsicher, wo es hingehört. Der Buckingham-Palast stellt dabei eine einsame und verlassene Fassade dar, fernab der wahren Machtzentren.

In Wien spielt die imperiale Vergangenheit zwischen der Hofburg und dem Stephansdom hingegen immer noch eine zentrale Rolle der Residenzstadt. In Großbritannien liegen selbst die Bastionen der Anglikanischen Kirche in Canterbury und York und somit außerhalb der Hauptstadt.

Mehr lesen: Erstmals seit 70 Jahren: King Charles eröffnet mit Rede britisches Parlament

Der Monarch sollte niemals in den Ring der Parteipolitik steigen. Und dennoch entwickelten sich zu vielen Punkten von Charles’ Agenda politische Auseinandersetzungen. Der Konsens, wie mit dem Thema Umwelt- und Klimaschutz umzugehen ist, besteht nicht mehr. Ebenso nicht, wie eine multikulturelle, multikonfessionelle Gesellschaft harmonisch und tolerant funktionieren kann.

Während Diversität ein Hauptthema in den Krönungszeremonien war, betrachtet die Neue Rechte es als Lug und Trug, das die Fundamente der Gesellschaft aufweicht. Genderthemen werden als überflüssig hingestellt und die Verurteilung der britischen imperialen Vergangenheit abgelehnt. In der Zwischenzeit sucht der Thronfolger, Prinz William, seine eigene Mission: Die Aufmerksamkeit auf die Notlage der Obdachlosen zu richten. Das mag sehr lobenswert sein, aber auch aus dieser Frage wurde mittlerweile ein Zankapfel. Die Innenministerin ist überzeugt, dass diejenigen, die in Zelten auf Londons Straßen leben, eine bestimmte „Life-style“-Entscheidung getroffen hätten. Mag das Campen entlang der Strände der Themse für einige auch einen romantischen Touch haben – aber die meisten sind gezwungen, das zu tun.

Auf der Suche nach einer neuen Mission hat König Charles zuletzt die Themen Lebensmittelverschwendung für sich entdeckt. Aber auch ein Kingsize-Burger wird denjenigen nicht helfen, die auf einen Sozialladen angewiesen sind. Mit jedem Schritt als König wird Charles daran erinnert, dass er zumindest in der Öffentlichkeit weiterhin eine Nebenrolle spielen wird.

Melanie Sully ist eine britische Politologin und lebt seit Langem in Österreich.

Kommentare