Bitte Politik statt Negative Campaigning!

Bitte Politik statt  Negative Campaigning!
Die Politik hält sich mit Skandalisierung auf, statt Lösungen zu suchen

Tal Silberstein, im Nationalratswahlkampf 2017 von der SPÖ als Wahlkampfhelfer und Experte für Negative Campaigning nach Österreich geholt, muss seine Freude haben. Die Saat, die er gesät hat geht immer mehr auf. Manche Politiker verwechseln Politik mit Negative Campaigning. Das ist ein verheerender Irrtum. Politik ist Zukunftsgestaltung und nicht Anpatzen des politischen Konkurrenten. In Österreich sind leider die Voraussetzungen für Negative Campaigning sehr günstig.

Aus der Justiz kommen – auf welchen Wegen auch immer – Anzeigen, Beschuldigtenstatus, Ermittlungsstände usw. immer wieder illegal an die Öffentlichkeit. Wir haben zwar das Grundrecht auf Schutz der persönlichen Daten, ein verfassungsmäßig abgesichertes Briefgeheimnis und in der Strafprozessordnung steht die Unschuldsvermutung, aber die Macht des Faktischen ist stärker als die Rechtslage.

In einem Rechtsstaat eine überaus bedenkliche Situation. Aber nicht nur die Rahmenbedingungen für Negative Campaigning sind in Österreich günstig, auch ihre Erfolge motivieren. Das zeigt zum Beispiel der erfolgreiche Schlachtruf des Links-Blocks aus Rot, Grün und Pink, mit Unterstützung von Blau: „Kurz muss weg“.

Natürlich haben auch haarsträubende politische Dummheiten („Chats“) dazu beigetragen. Nun ist aber bereits die nächste Phase eröffnet, wenn auch subtiler: Die ÖVP muss weg, nämlich aus der Regierung. Da führt schon der Titel eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses mit „ÖVP-Korruptionsausschuss“ zu einer pauschalen Vorverurteilung. Da führt ein anonymer Brief (!) zu einer parlamentarischen Aktion gegen den Bundeskanzler und nach fünf zurückgelegten Anzeigen wird gegen den Nationalratspräsidenten eine sechste Anzeige eingebracht. Auch beim früheren Finanzminister waren es fünf Anzeigen, die dann allesamt zurückgelegt wurden. Dies alles unter dem Motto „es wird schon etwas hängen bleiben“.

Und wenn ein von einer Personalkommission bestgereihter Kandidat vom Minister auch genommen wird, wird das als Postenschacher bezeichnet. All das löst drei besorgniserregende Entwicklungen aus: Das Ansehen der Politik und das Vertrauen in die Politik ist in den negativen Bereich abgeglitten. Damit wenden sich viele fähige Personen, die für die Politik geeignet wären, angewidert ab. Konsequenz: ein Prozess der Negativauslese. Und es wird Zeit vergeudet, die für die Bewältigung der großen Zukunftsherausforderungen so notwendig wäre: Klimaschutz, die Zukunft des Wirtschaftsstandortes, das heißt von Arbeitsplätzen, Einkommen und sozialer Sicherheit, die steigende Inflation, die Bewältigung der Folgen aus dem Ukrainekrieg, die Zukunft von Bildung, Wissenschaft, Forschung und Innovation, ein leistungsfähiges System der Alterssicherung und bei der Pflege. Es ist also hoch an der Zeit: Bitte Politik im Sinne von Zukunftsgestaltung und Problemlösung statt Negative Campaigning!

Günter Stummvoll ist Sprecher der „Initiative Standort“, er war ÖVP-Finanz-Staatssekretär und Abgeordneter.

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