Aus den Schwächsten alles herausquetschen
Mein Kommentar zu den niedrigen Gehältern der Orchestermusiker beim 100 Jahre Burgenland Festakt (30 Euro pro Tag/Abend) hat eine Welle der Entrüstung ausgelöst. Die Situation ist ein Sinnbild für eine Entwicklung, die es auch in vielen anderen Bereichen gibt. Was ich am häufigsten dazu gelesen habe, lautete sinngemäß: Die sollen sich nicht beschweren. Es ist doch klar, dass die bekannteren Künstler weit höhere Gagen bekommen.
Eh! Das war schon immer so und ist auch in Ordnung. Was sich meines Erachtens – nicht nur in der Musikwelt – in den letzten Jahren sehr verändert hat, ist die Unsitte, dass aus den Schwächsten der allerletzte Cent rausgequetscht wird. Weil man es kann.
Deshalb werden im öffentlichen Dienst junge Menschen mit abgeschlossenem Studium monatelang mit vollkommen unterbezahlten Verwaltungspraktika hingehalten.
Deshalb gibt es bei UNO oder Wirtschaftskammer unbezahlte Jobs in Städten, wo die Monatsmiete mehrere Tausend Euro ausmacht, während die, die es sich gerichtet haben, ein fünfstelliges Gehalt beziehen. Und deshalb werden Orchestermusiker bei einem Festakt mit 30 Euro abgespeist. Früher hätte man den Künstlern, die den Abend eröffnen, vielleicht eine Gage bezahlt, die zumindest die Kosten deckt und etwas in den Karriereaufbau investiert werden kann.
Und nach ein paar Jahren füllen dann diese Künstler die Konzerthallen. Ich denke, dass das Bewusstsein dafür verloren gegangen ist, dass eine Karriere Zeit für Entwicklung braucht. Auch Bilderbuch und Wanda, die mittlerweile bis zu 20000 Tickets pro Abend verkaufen, wurden erst in Österreich in den großen Radios gespielt, nachdem sie in Deutschland schon riesige Hallen gefüllt haben.
Die Folge von dieser Einstellung im Kleinen ist dann im Großen, dass in den Kinos gerade „Fast and Furious 9“ läuft, die großen Festivals seit rund 25 Jahren das gleiche Line-up programmieren und im österreichischen Radio fast nur amerikanische oder deutsche Musik läuft.
Das liegt sicher nicht an mangelndem Talent. Die österreichische Musikszene gilt als eine der spannendsten Europas. Wir können sozusagen „am Weltmarkt mitmischen“, aber in Österreich gibt es nur wenig Interesse, dieser zeitgenössischen Musik eine Bühne zu bieten.
Dabei würde das auch wirtschaftlich Sinn machen: Tantiemen, Ticketeinnahmen, viele Dienstleistungen – Millionen von Euros würden in Österreich bleiben, statt aus der Wirtschaft abgesaugt zu werden und bei amerikanischen Stars zu landen.
Ich hoffe, dass ich mit meinem Statement einen kleinen Beitrag dazu leisten konnte, dass sich wieder ein Bewusstsein dafür entwickelt, dass es der Gesellschaft gut tut, auch die Kleinen leben zu lassen. Weil es unser aller Leben bereichert und Kunst das am besten kann.
Denn Earth ohne Art ist nur „Eh!“
Alexander Köck ist Sänger der Indie-Rock-Band Cari Cari.
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