Am Wunsch der Menschen vorbeipflegen

Am Wunsch der Menschen  vorbeipflegen
Die Pflegereform sollte auf die Bedürfnisse der Betroffenen eingehen

So unterschiedlich Menschen hinsichtlich ihres Gesundheitszustandes und Lebensraums auch altern, so sehr eint die meisten derselbe Wunsch: (So lange wie möglich) in den eigenen vier Wänden zu leben, umgeben von Vertrautem und Liebgewonnenem. Der Wunsch scheint von den Verantwortlichen der Pflegereform schon wieder nicht gehört zu werden.

Denn jene Betreuungsformen, die das Potenzial haben, diesen Wunsch zu erfüllen – die 24-h-Betreuung und die bedarfsorientierte, stundenweise Unterstützung zu Hause – werden in der neuen Pflegereform nur stiefmütterlich bedacht.

Die ohnehin schon niedrige Förderung der 24-h-Betreuung wurde seit 2007 nicht mehr inflationär angepasst und wird es auch nach der Reform nicht werden. Das führt dazu, dass die gern nachgefragte 24-h-Betreuung, die eigentlich die günstigste Form für die öffentliche Hand darstellt, für viele einfach nicht leistbar ist, weil die Förderung nur einen Bruchteil der realen Kosten deckt.

Da ist es, seit der Abschaffung des Pflegeregresses, günstiger, „Omi“ in ein Heim zu stecken, obwohl sie ihren Alltag zu Hause mit Unterstützung bewältigen könnte: Denn bei einem Heimplatz bleiben ihr 20 Prozent der Pension als Taschengeld, den Rest der Kosten trägt der Staat. Und das, obwohl ein Pflegeplatz zwischen 3.000 und 6.000 Euro pro Person kostet.

Auch die stundenweise Unterstützung, die vor allem pflegende Angehörige entlasten könnte und gerade am Anfang eine wertvolle Möglichkeit ist, vor Ort zu helfen, wird in den Bundesländern nicht gefördert. Die mobilen Dienste sollen laut Taskforce Pflege zwar ausgebaut werden, müssen aber weiterhin selber bezahlt werden. Dadurch bleiben diese risikoarmen und günstigen Pflegeformen für viele Menschen auch weiterhin unleistbar, denn niemand will seinen Angehörigen am Lebensabend „auf der Tasche liegen“. Gleichzeitig werden die bestehenden Fördergelder nicht an die vom Sozialministerium definierten Qualitätsstandards (ÖQZ-24) für die 24-h-Betreuung geknüpft, denn diese sind freiwillig. Nicht einmal bei der Neugründung einer Vermittlungsagentur sind diese Kriterien verpflichtend.

Ergebnis dieser Freiwilligkeit: Nur 34 (!) der über 800 Anbieter in Österreich erfüllen die Standards des Sozialministeriums und sind zertifiziert. Die Förderung für die von den Agenturen betreuten Klienten ist aber für alle gleich hoch. Wie es zu solchen Situationen kommt? Zum Beispiel, indem bei dem angekündigten „breiten, partizipativen Vorgehen“, welches die Taskforce Pflege bei der Ausarbeitung der Rahmenbedingungen für die Pflegereform angestrebt hat, die Experten der Fachgruppe Personenberatung und Personenbetreuung nicht einbezogen wurden, obwohl sie die gewählten Vertreter der 24-h-Betreuer und der Vermittlungsagenturen sind. Wir sollten endlich ein System anstreben, in dem Menschen ihren Bedürfnissen und Wünschen entsprechend ihren Lebensabend gestalten können – und nicht abhängig von der Höhe ihres Bankkontos sind.

Kerstin Marchner ist Qualitätsmanagerin bei der Vermittlungsagentur BestCare 24.

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