Als Österreich schon einmal beinahe eine Dreierkoalition bekam

Unter Julius Raab waren die bilateralen Verhandlungen mit Vertretern des VdU bereits weit fortgeschritten, um diesen als dritte Partei ins Boot zu holen
Es wurde 1953 bereits über Ministerposten gesprochen, bevor der Plan platzte. Ein Gastkommentar von Johannes Schönner.

Eine Koalition in Österreich aus drei Parteien war auch bis dato eher unbekannt. Zu sehr war hierzulande die Macht auf zwei Parteien verteilt. Jede Koalition soll – gemäß den Gesetzen des Parlamentarismus – zumindest eine Partei auf die Oppositionsbank drängen.

Eine solche taktische Überlegung war nach der Nationalratswahl Anfang 1953 entstanden. Diese Wahl zeigte eine erste Abnützung der ÖVP in der Regierung und erbrachte ein Ergebnis das Julius Raab, damaliger ÖVP-Obmann, als „erschütternd“ bezeichnete. Stimmenmäßig gewannen die Sozialisten die Wahl, einzig aufgrund der Wahlarithmetik behielt die ÖVP die Mandatsmehrheit. Ein Ergebnis, das sich übrigens bei der übernächsten Wahl 1959 wiederholen sollte. Dieser Trend wurde nur durch die Nationalratswahl 1956 unterbrochen. Der Abschluss des Staatsvertrages 1955 hatte der Kanzlerpartei ÖVP offensichtlich Vertrauen und Sympathien eingebracht.

Als Österreich schon einmal beinahe eine Dreierkoalition bekam

Johannes Schönner

Dilemma

Im Februar 1953 saß der Schock in der ÖVP tief, das Sägen am Kanzlerstuhl Leopold Figls wurde immer lauter und ungenierter. (Nicht zuletzt durch Raab selbst, der ihn wenige Tage später als Kanzler ablösen sollte.) Der Mandatsstand lautete ÖVP 74, SPÖ 73, VdU 14 und die linkssozialistische, kommunistische Volksopposition 4. In dieser Situation glaubte Julius Raab, die Lösung für das Dilemma gefunden zu haben. Raab schwebte dazu eine „Vorkoalition“ oder „Arbeitsgemeinschaft“ mit dem VdU vor, die bei Koalitionsverhandlungen mit der SPÖ die Position der Volkspartei entscheidend verbessern sollte. Selbst Raab war sich freilich im Klaren darüber, dass es keine Zweierkoalition mit der Partei der Ehemaligen geben konnte. Ihm schwebte eine Dreierkoalition von ÖVP, SPÖ und eben Einbindung des VdU vor. Nicht zuletzt hielt Raab diesen Schachzug für richtig, um die SPÖ zu schwächen sowie bei den Verhandlungen zum Staatsvertrag eine größere gesellschaftliche Repräsentanz abzubilden. Im politischen Tagebuch von Julius Raab ist nachzulesen, dass die bilateralen Verhandlungen nach der Wahl mit Vertretern des VdU weit fortgeschritten waren. Sogar über Ministerposten wurde gesprochen. Der VdU sollte das Handelsministerium bekommen und den Dritten Nationalratspräsidenten stellen.

Die SPÖ sah sich düpiert und in ihrer eigenen Falle gefangen, immerhin war die Partei – vor allem Innenminister Oskar Helmer – Geburtshelfer der „4. Partei“ 1949 gewesen. Mit dem Ziel, den bürgerlichen Block und somit die ÖVP nachhaltig zu schwächen.

Doch bekanntlich stand und steht vor allen Koalitionsverhandlungen stets eine Beauftragung durch den Bundespräsidenten. Im Februar 1953 war dies Theodor Körner (SPÖ) und der Kabinettvizedirektor in der Präsidentschaftskanzlei hieß Bruno Kreisky. Und zum ersten Mal in der Zweiten Republik machte ein Bundespräsident deutlich, dass er andere Vorstellungen hatte als die potenziellen „Verhandler“. Die Ablehnung gegenüber diesem Koalitionsmodell aus drei Parteien war in der Hofburg massiv. Nun bezeichnete die SPÖ den VdU als „faschistisch“, was bemerkenswert war, hatte die SPÖ doch ausdrücklich die Gründung des WdU/VdU zugelassen. Die sozialistische Arbeiterzeitung und selbst Helmer nannten Raab in diesem Zusammenhang „Hetzer und Hasser“.

Absage nach Widerstand

In Verbindung mit der Kritik an einer Einbeziehung einer dritten Partei zur Regierungsbildung durch die alliierten Besatzungsmächte musste Raab alle Überlegungen dazu schließlich aufgeben. Nicht zuletzt gab es auch Widerstände in der ÖVP selbst gegen eine Koalition mit dem VdU. Sogar Figl, wenige Tage nach diesen dramatischen Koalitionsüberlegungen zur endgültigen Demission als Bundeskanzler seitens des ÖVP-Parteivorstandes veranlasst, wollte von dieser Dreierkoalition nichts wissen. Trotzdem: Raab hatte erstmalig mit dem Konzept einer gleichsam institutionalisierten Zweierkoalition brechen wollen. Folglich gab es in Österreich seit 1945 bis heute nur Regierungen aus einer oder zwei Parteien.

Johannes Schönner ist Geschäftsführer des ÖVP-nahen Karl von Vogelsang-Instituts

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