Europa braucht eine neue Flexibilität und andere Ausgaben

Statt den Fiskalpakt aufzuweichen, muss die EU in Bildung und Innovationen investieren, Arbeit entlasten und Energieverbrauch belasten.
Karl Aiginger

Karl Aiginger

Europas Wirtschaftsleistung liegt auch 2014 noch unter dem Vorkrisenwert

von Prof. Mag. Dr. Karl Aiginger

über den Fiskalpakt

Der Fiskalpakt ist zu eng, sagen Italien und Frankreich, und viele Ökonomen und Währungsfonds unterstützen dies. Budgetdisziplin ist die Voraussetzung für Stabilität und Wachstum, klingt es deutsch, finnisch, neoliberal zurück. Nicht den Pakt ändern, aber seine Flexibilität nutzen, war der Kompromiss am letzten Gipfel. Eine Drohung oder die Lösung?

Tatsache ist, dass Europa nicht vom Fleck kommt. Die Wirtschaftsleistung liegt auch 2014 noch unter dem Vorkrisenwert; in den USA ist sie um neun Prozent höher, in China um 60 Prozent. Die Arbeitslosigkeit liegt über 10 Prozent.

Der Fiskalpakt verlangt die Reduktion der Defizite und Rückführung der Schulden. Die Staatsschulden sind seit 1970 von 30 auf 90 Prozent gestiegen (in manchen Ländern übersteigen sie die Wirtschaftsleistung), die Staatsausgaben von 40 auf 50 Prozent. Aber welche Nachfragekomponente soll steigen, wenn die Defizite gesenkt werden, bevor die Investitionen anspringen und der Konsum wächst. Exporte können ein Brücke sein. Aber Europa hat bereits eine positive Leistungsbilanz, die USA wollen ihre negative verbessern und die Schwellenländer haben 2014 eine kleine Schwächephase.

Geld schlecht verwendet

Eine Möglichkeit besteht in Finanzierungen durch Europäische Institutionen und Programme. Initiativen für Wachstum und Beschäftigung wurden entwickelt, Regionalprogramme wurden von der Zielsetzung her verbessert. Ein Jahr später wird festgestellt, dass das Geld von den Regionen und den Staaten nicht abgeholt wurde. Das Prinzip muss geändert werden: Nicht nur die Mitglieder sind verantwortlich, das Geld abzuholen, sondern auch der Kommissionspräsident muss es durchsetzen.

Geld wird auch schlecht verwendet. Die Militärausgaben der EU sind höher als jene Russlands und Chinas zusammen, weil es 29 nationale Systeme gibt. Die tatsächliche Wirkung ist minimal, sei es in der Ukraine, in Nordafrika, beim Flüchtlingsdrama im Mittelmeer.

Die Subventionen für fossile Energie sind höher als jene für erneuerbare. Das erhöht die Staatsausgaben und die Hürden für erneuerbare Energien. Der Emissionshandel bricht zusammen und wird nicht reformiert, das senkt die Einnahmen, führt zu verstärkter Nutzung von Kohle. Die Flugticketsteuer wird nicht zu einer weltweiten Kerosinsteuer, sondern Österreich verlangt die Abschaffung. Alles das senkt Investitionen in neue Firmen und Arbeitsplätze.

Europa braucht andere Ausgaben. Ausgaben für Bildung, Innovation, Energieeffizienz, sozialen Ausgleich. Und andere Einnahmen: Der Faktor Arbeit muss entlastet, der Energieverbrauch teurer werden. Finanztransaktionen müssen besteuert, Steuerbetrug bekämpft werden.

Das ist die richtige Flexibilität, nämlich Anpassung der Budgets an neue strategische Ziele. Nicht die Kompromissformel, dass jedes Land alte Prioritäten mit mehr Geld unterfüttern kann. Die neue Kommission will sich neue Leitlinien setzen. Hoffentlich leiten sie sich von den Zielen Europas ab, dynamischer, sozialer und ökologischer zu werden. Und Flexibilität ist nicht die Berechtigung, alte Wege länger fortsetzen zu können.

Karl Aiginger ist Chef des Österreichischen Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO).

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