Tribüne: Warum nur wird man Schiedsrichter?

Gregor Seberg
Zwei Teams gegen dich, ein Stadion gegen dich – und am Ende hast du so viele Gegner, wie das jeweilige Land fasst.

Ich verstehe ja viele Berufswahlen nur schwer. So kann ich nicht wirklich nachvollziehen, wie man gerne Hundefutter-Vorkoster wird. Ganz weit weg ist auch die Vorstellung, professioneller Ansteller zu sein. Das sind Menschen, die sich für andere Menschen anstellen, eher lange, nehme ich an, und kurz bevor sie den Triumph des Erreichens des Endes der Warteschlange auskosten dürfen, kommt ein anderer Mensch daher und schnappt ihnen Triumph, ersten Platz und auch das große Glück weg, das vielleicht auf sie gewartet hätte. Und der darf das!

Weil das so ausgemacht war. Das ist ein bisschen wie Sisyphos ohne Stein.

Und genau so wenig kann ich mir erklären, wie man Fußballschiedsrichter wird. Schiri! Zwei Teams gegen dich, ein Stadion gegen dich – und wenn das Spiel im Fernsehen gezeigt wird und während einer WM stattfindet, hast du am Ende so viele Gegner, wie das jeweilige Land fasst, das du natürlich komplett zu Unrecht rausgepfiffen hast.

Oder – und jetzt weiß ich nicht, was schlimmer ist – du bist Schiri in einer Liga, wo die Zuschauer dich persönlich kennen und wissen, wo dein Auto steht. Wieso macht man so was? Freiwillig? Okay, der Pierluigi Collina hat erkannt, er muss nur einmal schiach schauen und der aufmüpfigste Heißläufer wird zum Sängerknaben.

Aber was machen die, die diese Gabe nicht mitbringen? Wie unterdrücken die armen Kerle den natürlichen Fluchtreflex, wenn mehrere Zwei-Meter-Hünen nur wenige Zentimeter vor ihrem Gesicht „Das war kein Foul, das war kein Foul, Schiri, das war kein Foul“ in selbiges eingravieren?

Einsamkeit

Das einzige, was die Unparteiischen schützt, ist eine Karte von den Ausmaßen eines halben Kinderschnitzels. Schiedsrichter müssen furchtbar einsam sein während eines Spiels. Während eines Spiels, das sie lieben, und bei dem sie trotzdem nicht mitspielen dürfen.

Vielleicht stehen Schiris manchmal nur deshalb im Weg, um e i n m a l den Ball am Fuß zu spüren. Und natürlich haben sie auch Mitspieler. Die stehen allerdings außerhalb des Feldes und schauen auch streng.

Wie die wohl kommunizieren miteinander? So? Schiri: „Hat sich der Spieler in Blau mit der Nummer zehn gerade eines Fouls schuldig gemacht? Ich konnte es nicht genau erkennen, die Sonne steht gar tief.“

Assi: „Selbst geblendet entgeht dir nichts. Du Gottgleicher mit der himmlischen Pfeife und dem magischen Schaumspray, mit dem du wie der Schöpfer seine Linien in den Himmel die deinen in den Rasen schreibst, wie könnte ich anders antworten als: Ja, er hat.“

Schiri: „Welch Drama! Was tun? Doch scheint’s, ich muss ihn ziehen lassen. Hab Dank.“ Oder so? Schiri: „Deppate Sunn, heast. Woa da blaue Zehna scho wieder lustig?“

Assi: „No, wos haaßt.“

Schiri: „Und tschüss mit eam. – Es erste Seidl geht auf mich.“

Wir werden es wohl nie erfahren. Und das ist vielleicht gut so. Es bleibt mystisch.

P.S.: Ich habe einmal irgendwo gelesen, dass sich männliche Fußballer besser benehmen, wenn eine Frau das Spiel pfeift. Ob das stimmt und ob das dann auch wirklich lange anhält, weiß ich nicht. Aber bis zur nächsten Weltmeisterschaft ist ja noch Zeit.

Gregor Seberg ist österreichischer Schauspieler und Kabarettist.

sport@kurier.at

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