Die Papierform ist für die Rundablage

Die Papierform ist für die Rundablage
Für diese WM gilt das Motto aus dem Lotto – alles ist möglich. Die Favoriten hatten bisher große Probleme.

Wer auch immer gegen wen auch immer, bei dieser Weltmeisterschaft scheint alles möglich, wie zum Beispiel das Achtelfinale Belgien gegen Japan gezeigt hat. Die Japaner sind mit viel Disziplin sehr gut aufgetreten, haben den Favoriten mehr als nur in Bedrängnis gebracht. Die Belgier wiederum sind letztlich aufgrund der individuellen Klasse aufgestiegen. Und auch mit einigem Glück, das ihnen beim ersten Tor beistand. Umso mehr als bisher gilt die ohnehin gebräuchliche Floskel, dass kein Team zu unterschätzen ist.

Die Papierform zählt fast nichts mehr, sie ist praktisch für die Rundablage, den Mistkübel. Ich hatte schon vor der WM vermutet, dass die Unterschiede zwischen den Mannschaften noch geringer sind als früher. Das ist eingetreten. Klare Siege sind an einer Hand abzuzählen, weil „kleinere“ Nationen taktisch und physisch dermaßen gut vorbereitet sind, dass sie 90 Minuten lang den vermeintlichen Favoriten zumindest ärgern können.

Getäuscht

Es ist extrem schwierig geworden, als stärkeres Team Spiele mit einer gewissen Souveränität zu gewinnen, ganz zu schweigen von deutlichen Siegen. Mit einer anderen Prophezeiung bin ich daneben gelegen: Deutschland.

Mich hat überrascht, dass sie doch nicht auf den Punkt bereit waren. So wie sie sich präsentiert haben, vermute ich, dass es intern einfach zu viele Unruheherde gegeben hat. Damit meine ich nicht nur die Geschichte mit Özil, Gündoğan und ihrem Besuch beim türkischen Präsidenten Erdoğan. Dieses Thema sollte man auch irgendwann ruhen lassen.Vielmehr waren es viele Kleinigkeiten, die dann das große Ganze ergaben und für Ablenkung sorgten. Die Deutschen haben nie ihren Rhythmus gefunden.

Und sie wirkten auf mich auch körperlich nicht ganz auf der Höhe, was sie mit Argentiniern und Spaniern gemein hatten. Diese großen Teams schienen physisch leer, ein Thema, das man bei den großen Turnieren immer wieder diskutiert. Das Phänomen ist bei einer Weltmeisterschaft nicht neu, weil die Spieler von großen Vereinen oft in allen Bewerben bis zu Saisonende unter Druck stehen und an ihre Grenzen gehen.

Müde und leer

Danach folgt vor dem Turnier eine Pause von drei bis vier Wochen, in der sie vor allem mental abschalten. Du fährst als Spieler den Kopf herunter, willst dich einfach nicht mit dem Großereignis beschäftigen. Danach ist es eben schwer und eine wahre Kunst, diese Spannung mental wieder aufzubauen. Das Mentale machte bei diesen Nationen die Beine schwer. Den Deutschen fehlte in ihrem Spiel ebenso die gewohnte Leichtigkeit wie Lionel Messi und Argentinien oder den Spaniern, die im entscheidenden Moment einfach nicht mehr zulegen konnten.

Das ist umgekehrt aber den Belgiern, wenn auch spät, gegen Japan gelungen. Auch die Brasilianer zeigten gegen Mexiko Kombinationen, die ihnen leicht vom Fuß gingen. Deswegen stehen sie auch im Viertelfinale, während andere Favoriten schon daheim sind.

Zlatko Junuzovic, 30, hat 55 Länderspiele für Österreich bestritten und ist kürzlich von Werder Bremen zu Meister Red Bull Salzburg gewechselt.

sport@kurier.at

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