Die Blauen haben regieren gelernt
Er ist wieder da. Nach vier Wochen im Spital und im Homeoffice ist der an Rückenproblemen laborierende Christian Stocker zurück im Bundeskanzleramt. Keinen Tag zu früh. Spinnt doch der Boulevard angesichts der doch längeren Erholungsphase und der desaströsen Umfragewerte für die ÖVP bereits Geschichten, wonach die Tage Stockers als Parteichef bald gezählt sein könnten.
Sorgen, die sich Herbert Kickl zumindest vordergründig nicht machen muss. Der FPÖ-Chef war zuletzt medial kaum präsenter als der erkrankte Kanzler, doch angesichts der Schwäche der Dreierkoalition reicht den Blauen Halbgas, um den Vorsprung in den Umfragen immer weiter auszubauen: Mittlerweile liegen demnach ÖVP und SPÖ gemeinsam (!) nur mehr gleichauf mit der FPÖ.
Was ebenfalls bemerkenswert ist: Die Blauen legen auch in jenen Bundesländern kräftig zu, in denen sie Regierungsverantwortung tragen. Ob in Oberösterreich, wo die FPÖ rund um Manfred Haimbuchner den an sich undankbaren Part des Juniorpartners innehat, aber dennoch die ÖVP in Umfragen längst überholt hat. Oder in der Steiermark, wo sich Landeshauptmann Mario Kunasek langsam in Richtung 40 Prozent bewegt. Dass gerade dort die Budgetlage überaus trist ist und Kunasek bis dato vor allem auf Symbolpolitik setzte – vom Abschaffen des Lufthunderters bis zum Streichen des Genderns in den Landesgesetzen – scheint die Wähler nicht weiter zu stören.
Das muss jenen zu denken geben, die immer noch glauben, man müsse die Blauen nur in die Regierung holen, um sie zu entzaubern. Dass diese These widerlegt ist, hat mit den handelnden Personen zu tun: Vorbei sind die Zeiten, als die Blauen etwa auf Mitstreiter zurückgreifen mussten, die nicht einmal wenige Wochen unfallfrei in Ministerposten überstanden. Vielmehr hat mit Länderchefs vom Schlage eines Mario Kunasek, einer Marlene Svazek in Salzburg oder eines Udo Landbauer in Niederösterreich – jenseits aller ideologischen Bewertungen – eine personelle Professionalisierung in der FPÖ Einzug gehalten. Eine Professionalisierung, zu der nicht zuletzt ein pragmatischer Umgang mit dem Regierungspartner gehört.
Was den einen oder anderen FPÖ-Funktionär letztlich doch auf die Idee bringen könnte, mit einem dieser Pragmatiker könnte der Sprung in die Regierungsverantwortung auch auf Bundesebene leichter gelingen als mit Kickl, der entgegen allen Beteuerungen zumindest eine Teilschuld am Scheitern der Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP vor knapp einem Jahr trägt.
Noch können die Blauen diese Frage von sich schieben. Wahlen im Bund sind nicht absehbar, sind doch die drei Koalitionäre auf Gedeih und Verderb aneinandergekettet. Zumindest so lange Stocker ÖVP-Parteichef bleibt.
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