Fliehkräfte, die Europa nicht brauchen kann

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Von Trump bis China: Die Welt wird rauer. Damit muss sich die EU beschäftigen, nicht mit sich selbst.
Andreas Schwarz

Andreas Schwarz

Am Sonntag nimmt Ursula von der Leyen ihre Arbeit als Präsidentin der neuen EU-Kommission auf. – Das ist ein Satz, der als Textanfang in jedem Journalismus-Lehrgang rausflöge. EU, Kommission, Von der wer? – mediale Schnarchbegriffe erster Güte. Zu unrecht.

Die Europäische Union beeinflusst das Leben in Österreich seit dem Beitritt vor 25 Jahren entscheidend. Sie hat den Rahmen für Frieden und Wohlstand in Europa geschaffen (noch einmal schnarch). Jetzt steht sie an einer existenziellen Schwelle, in der die Fliehkräfte sie zu zerreißen drohen (da werden viele aufhorchen, die ohnehin keinen Cent auf die EU geben).

Die Zerrkräfte sind bekannt: Auf der einen Seite die Briten, die mit einer Lügenkampagne von Boris Johnson & Co. in den Austritt steuern. Sie schwächen sich, aber auch Europa. Großbritannien war nie ein leichter Partner, aber was das Gewicht Europas betrifft ein unverzichtbarer.

Auf der anderen Seite einige Osteuropäer, die auf gemeinsame Regeln und Normen pfeifen und die Gemeinschaft auf dem Altar von Nationalismus und demokratiezersetzendem Populismus (Ungarn, Polen) opfern.

Neues Störfeuer

Und jetzt kommt noch Monsieur Macron daher und will Europa aufmischen, parbleu! Der smarte Franzose hat schon mehrmals ein Feuerwerk an Ideen für EU-Europa gezündet: Verteidigungspakt, Mindestlohn, Treibhausgas null, Außengrenzschutz – für jeden Geschmack war etwas dabei. Nur konkrete Ideen für die Umsetzung fehlten. Dass Deutschland und andere aus unterschiedlichsten Gründen nicht mitwollten, hat die Statur des großen Europäers Macron ein wenig geschrumpft. Jetzt, wo Merkel wankt, die Briten gehen und die Kommission neu beginnt, will er’s alleine machen, wer mittut, tut mit. In Wahrheit klingt’s nach einem Störfeuer gegen die EU zur Erleuchtung der Statur daheim, wo es Macron nicht gut geht.

Und die EU? Da droht China alles zu überschwemmen, auch nach Europa herein. Dort setzt Donald Trump das Welt-Gleichgewicht und den Multilateralismus aufs Spiel. Die Umwelt fliegt uns um die Ohren. Die Migration ist nur scheinbar in den (medialen) Hintergrund gedrängt. Russland und die Türkei vor den Toren sind Unsicherheitsfaktoren der Sonderklasse. Alleine wird dem niemand trotzen können. Eine starke EU bräuchte es heute mehr denn je.

Ursula von der Leyen wird die nächsten Jahre mehr als nur die Unterstützung eines guten Votums im EU-Parlament brauchen. Prodi hatte einst das beste, und was hat er draus gemacht? Vielleicht wird sie auch ein bisschen mehr von der Verve des Emmanuel Macron brauchen. Aber die neue Chefin wird (auch schnarch, aber sehr wahr) nur so stark sein können, wie die Europäer sie lassen. Die sollten im eigenen Interesse größtes Interesse daran haben, dass sie stark ist.

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