Finanztransaktionssteuer – ein Begräbnis dritter Klasse?

Fehlentwicklung. Wie die Finanzlobby die Politik verunsichert und Staaten auseinanderdividiert.
Stephan  Schulmeister

Stephan Schulmeister

Die Finanzlobby verunsichert die Politik und dividiert Staaten auseinander.

von Stephan Schulmeister

über die Finanztransaktionssteuer

Im Februar 2008 stellt das WIFO das Konzept einer generellen Finanztransaktionssteuer (FTS) vor. Die nachfolgende Finanzkrise und eine beispiellose Kampagne wichtiger NGOs und kirchlicher Organisationen geben der Idee starken Rückenwind, 2010 wird sie bereits von 61% der EU-Bevölkerung unterstützt. Darauf befürworten auch Angela Merkel und Nicolas Sarkozy das Konzept, ebenso das EU-Parlament. Im September 2011 schlägt die EU-Kommission die Einführung einer FTS in der gesamten EU vor.

Doch der Versuch, die Gegner – allen voran Großbritannien – dafür zu gewinnen, scheitert. Also entschließen sich 11 Staaten, darunter Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und auch Österreich, die FTS im Rahmen der "verstärkten Zusammenarbeit" einzuführen, im Februar 2013 legt die EU-Kommission ein entsprechendes Konzept vor. Nun soll die Umsetzung beginnen.

Doch das Projekt wird innerhalb weniger Monate demoliert. Denn diesmal hat sich die Finanzlobby perfekt vorbereitet. Kaum war der neue Entwurf publiziert, hagelt es Studien der Forschungsabteilungen der "Finanzalchemiebanken" (von Goldman Sachs bis Deutsche Bank). Rückendeckung bekommt die Lobby von den Zentralbanken, insbesondere der EZB. Die koordinierten Bombardements konzentrieren sich auf drei Bereiche.

Erstens, die FTS würde den in der EU besonders großen Repo-Markt vernichten. Mit Repos beschaffen sich Banken kurzfristig (zumeist "overnight") Mittel, indem sie Wertpapiere (zumeist Staatsanleihen) als Sicherheit verkaufen und sich verpflichten, sie bei Kreditrückzahlung zurückzukaufen ("repurchasing agreement"). Repos sind somit Begleiterscheinung der schnellen Spekulation. Deren Eldorado ist nunmehr Europa: Zwischen 2010 und 2013 sank das Transaktionsvolumen in den USA auf "nur" das 80-fache des BIP, in Europa stieg es auf das 120-fache! Die Besteuerung entspricht daher dem Zweck einer FTS. Doch der Bluff der Finanzlobby gelang, die Politik ließ sich verunsichern.

Zweitens, die FTS würde – auch wegen der Repos – die Finanzierung der Staaten verteuern. Dieses Argument ist zwar falsch, weil ja nur das Trading, nicht aber das Holding von Anleihen belastet wird, bei einem Flächenbombardement zählt aber Menge, nicht Qualität.

Drittens, mit einer Reihe von Behauptungen werden die Befürworter gegeneinander ausgespielt. Speziell zwischen Deutschland und Frankreich wird ein Spalt getrieben: Mit der FTS würde Deutschland einen Teil des französischen Steueraufkommens zu sich umlenken, französische Banken würden durch die FTS gegenüber deutschen Banken benachteiligt, etc.

Dass Frankreich und Italien in der Zwischenzeit eine jeweils eigene FTS eingeführt hatten, erleichtert das "Auseinanderdividieren". Frankreich möcht generell die Derivate ausnehmen, Italien die Staatsanleihen, dann würde aus der FTS eine Börsenumsatzsteuer auf Aktien – sie würde nix bringen und ausgerechnet nur die "harmlosesten" Transaktionen belasten. Dann sollte man das Ganze lieber lassen, nach dem nächsten Aktiencrash werden wir sowieso radikalere Maßnahmen brauchen.

Stephan Schulmeister ist Wirtschaftsforscher und Universitätslektor in Wien.

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