Europäische Werte und freier Handel

Europäische Werte und freier Handel

Autoren Team

Die Nichteinhaltung wird sanktioniert, im Extremfall mit Verkaufsbeschränkung

von Autoren Team

über zentrale europäische Werte

Die Konsultation der Europäischen Kommission zum geplanten transatlantischen Freihandelsabkommen (TTIP) hat die große Skepsis der Bevölkerung gegenüber einer möglichen Nivellierung europäischer Umwelt- und Sozialstandards zum Ausdruck gebracht. Dabei wäre auch eine Umkehrung der Perspektive möglich: Anstelle Umwelt- und Sozialstandards zu senken, könnte Europa versuchen, grenzüberschreitenden Handel in Einklang mit seinen zentralen Werten zu bringen.

Sinkende Grenzmoral

Unregulierter Wettbewerb führt oftmals dazu, dass mögliche Kostenvorteile unerbittlich ausgeschöpft werden. Dabei können regionale Normen und Werte – im Fall Europas etwa Gerechtigkeit, Menschenwürde oder demokratische Grundrechte – untergraben werden, wenn es, wie im internationalen Handel, möglich ist, durch das Umgehen solcher Werte Kostenvorteile zu erringen. Die Folge davon ist eine „sinkende Grenzmoral des Wettbewerbs“, also ein Abbau von moralischen und sozialen Standards. Dieser Mechanismus wirkt im internationalen Handel aufgrund der globalen Unterschiede besonders stark und setzt Länder mit hohen rechtlichen und moralischen Ansprüchen unter Druck. Günther Wallraff veranschaulichte jüngst in seinem Buch „Die Lastenträger“, wie diese Entwicklungen auch in westlichen Industrieländern zu menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen führen.

Alternative

Ein Vorschlag, um internationalen Handel und europäische Wertvorstellungen unter einen Hut zu bringen, baut auf das Vorbild des japanischen Top-Runner-Programms auf. Dieses Programm setzt Energieeffizienzstandards für gewisse Produktklassen, wie z. B. Kühlschränke oder Klimaanlagen, fest und zieht die jeweils energieeffizientesten Produkte zur Festlegung dieser Standards heran. Die Nichteinhaltung wird dabei sanktioniert, im Extremfall mit einer Verkaufsbeschränkung. In Anlehnung daran ließe sich eine Europäische Aufsichtsagentur einrichten, die verpflichtende Mindeststandards für die auf dem europäischen Markt verkauften Güter durchsetzt. Diese Mindeststandards könnten dabei sowohl die Arbeits- und Produktionsbedingungen (Mindestlohn, Arbeitszeit, Sicherheit ...) als auch die Produktqualität (Energieeffizienz, Langlebigkeit, gesundheitliche und ökologische Auswirkungen ...) ins Auge fassen. Die Nichteinhaltung dieser Standards zu sanktionieren wäre dabei nicht nur ein willkommener Beitrag zur Findung einer europäischen Identität. Eine solche Agentur wäre auch nichts weniger als der Versuch, das innovative Potenzial des Wettbewerbs dorthin zu dirigieren, wo es der Gesellschaft am meisten nützt.

Jakob Kapeller ist Philosoph, Bernhard Schütz Ökonom, beide an der Universität Linz, Dennis Tamesberger Arbeitsmarktexperte der AK OÖ. In diesem Kommentar kommt die persönliche Meinung der Autoren zum Ausdruck. Er beruht auf einem ÖGfE-Policy-Brief der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik: www.oegfe.at/policybriefs

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