Es geht nicht um Trump

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Der US-Präsident hat die Debatte um Rassismus und Polizeigewalt gekapert – das hilft der Sache gar nicht
Andreas Schwarz

Andreas Schwarz

Gut acht Minuten hat Polizist Derek Chauvin sein Knie in Hals und Rücken von George Floyd gedrückt, der mit einem falschen 20-Dollar-Schein erwischt worden war. „Ich kann nicht atmen, Mama“, waren die letzten Worte des auf dem Boden Fixierten. Für immer.

Acht Minuten, die Amerika verändern?

Die Polizeigewalt gegen Schwarze hat durch das Video einer Passantin ein Gesicht bekommen. Zehntausende gehen gegen Rassismus auf die Straße, Prominente rufen zum Protest auf. Zuletzt haben sich die vier noch lebenden Ex-Präsidenten zu Wort gemeldet. Jimmy Carter, Bill Clinton, George W. Bush und Barack Obama geißeln den „systematischen Rassismus in unserer Gesellschaft“ und: „Wir brauchen eine Regierung, die so gut ist, wie ihre Bevölkerung. Wir sind besser als das.“

Das ist eine deutliche Botschaft, denn „das“ hat noch ein Gesicht bekommen: das des Donald Trump. Unfreiwillig oder bewusst: Der US-Präsident hat die Lage für sich gekapert.

Nein, Trump hat keinen Schwarzen geschlagen und das Vorgehen der Polizei nicht verteidigt. Er wirft nur Demonstranten und plündernden Mob in einen Topf und stellt die Nationalgarde gegen US-Bürger auf; er lässt Protestierer mit Tränengas verjagen, um für ein Foto mit Bibel zu posieren; er findet kein Wort des Bedauerns oder für einen nationalen Schulterschluss, sondern macht das, was er kann: polarisieren.

So richtet sich ein Gutteil des Zorns auf Trump, der davon lebt, statt auf die Fakten: dass schwarze Haushalte im Schnitt ein Zehntel des Vermögens von weißen haben; dass die Arbeitslosenrate bei Afroamerikanern deutlich höher und die Gesundheitsversorgung niedriger ist; dass ein Schwarzer fünfmal so wahrscheinlich im Gefängnis landet wie ein Weißer. Auch ein halbes Jahrhundert nach dem „Civil Rights Act“, der die Rassentrennung aufgehoben hat.

Die Ursachen sind nicht nur strukturelle Diskriminierung. Auch der erste schwarze Präsident der USA hat das eingeräumt und Eigenverantwortung in schwarzen Familien eingemahnt. Und apropos: Die vier Präsidenten, die jetzt in Empathie machen, hätten 28 Präsidentschaftsjahre Zeit gehabt, an der Schieflage etwas zu ändern.

Das ermöglicht es Trump, keck zu behaupten, kein Präsident seit Lincoln habe so viel für die Schwarzen erreicht wie er. Schon wieder Trump. Es geht nicht um ihn. Die Debatte müsste ausschließlich um die acht Minuten gehen, die zeigen, dass ein Teil Amerikas im Vorgestern lebt.

Dass sich Amerika verändert, dafür bräuchte es aber doch auch einen Präsidenten, der nicht von einem „großartigen Tag für Floyd“ (?!) faselt, sähe der die im Mai leicht gesunkene Arbeitslosigkeit. Und dem auf die Frage, was er zum Aufruhr gegen Polizeigewalt und Rassismus sagt, mehr einfällt als: „Ich werde die Wahl leicht gewinnen.“

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