Erst schießen, dann fragen
Die Bilder lassen niemanden kalt. Es hat in sieben Jahren Bürgerkrieg an Grausamkeiten nicht gemangelt. Aber sterbende Babys, nach Luft röchelnde Kinder, Menschen mit Schaum vor dem Mund – der mutmaßliche Chlorgasangriff auf Ost-Gouta und die über soziale Netze verbreiteten Zeugnisse davon sind schwer zu ertragen. Wer so etwas anrichtet, ist Abschaum.
Aber wer hat angerichtet? Syrische Truppen kurz vor ihrem „Endsieg“? Mit russischer Hilfe? Oder Rebellen, die den Giftgas-Diktator anschwärzen wollen?
Für Donald Trump, den König der schlichten Logik, ist die Twitter-Antwort klar: Der syrische Präsident ist das „Vieh“. Die Vergeltung werden Raketen sein, da kann Assads Partner Russland strampfen, was er will.
Ganz unabhängig von der Frage, wann endlich jemand dem US-Präsidenten vor dem morgendlichen Klo-Gang das Handy wegnimmt: Woran liegt die in jüngster Zeit verbreitete Usance, zuerst zu schießen und dann zu fragen, zuerst mit dem Finger zu zeigen und dann zu verifizieren? Man muss kein Putin-Freund sein, um festzustellen: Der Giftanschlag auf den früheren russischen Doppelagenten Skripal und seine Tochter riecht verdammt nach russischem Geheimdienst – aber reicht riechen für das Furioso, das die britische Premierministerin und die halbe EU gegen Moskau entfesselt haben? Man muss kein Assad-Verteidiger sein, um festzustellen: Wird schon so gewesen sein, aber reicht „wird schon“ für ein Eingreifen des Westens in Syrien, wo es hundert Anlässe gegeben hätte, zu denen der Westen nicht eingriff?
Ablenkung von innenpolitisch Krisen (May) oder Pornosternchen-Eskapaden (Trump) mag eine Erklärung sein – Margaret Thatcher hat einst mit einem Krieg im fernen Falkland von zu Hause abgelenkt und Wahlen gewonnen. Befriedigend ist die Antwort nicht.andreas.schwarz
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