Eine Schachtel in der Tram

Eine Schachtel in der Tram
Ob öffentlicher Raum für Autos oder für Menschen da ist, wird nicht erst seit der "Mahü"-Planung diskutiert. Michael Dufek hat die Geschichte vom Bezirksrat und der Svihalek-Tram überliefert.

Man muss nur unnötig viel Platz verbrauchen und wird sofort ernst genommen.

von Michael Dufek

über eine Schachtel in der Tram

Der frühere Verkehrs-Stadtrat Fritz Svihalek begab sich volksnah in eine Straßenbahn, die am Ring im Kreis fuhr. Jeder, der wollte, konnte zusteigen und mit dem Stadtrat persönlich sprechen. So auch ein gewisser Hr. Steidl, seines Zeichens begeisterter Radfahrer und Bezirksrat der Landstraßer Grünen.

Der Unterschied zu den anderen Fahrgästen bestand jedoch darin, dass Steidl nicht ohne Geschenk zustieg. Er trug eine ca. 1x1x1 Meter große Schachtel, die einst gute Dienste als Fernseher-Verpackung geleistet hatte. Mit dieser fiel er bereits beim Einsteigen auf, denn es war gar nicht einfach, die Schachtel in die Tram zu bringen. Die mitfahrenden Personen halfen ihm indes sofort alle bereitwillig durch die Tür. Am Weg zu einem Sitzplatz eckte er mit der Schachtel überall an, drückte andere Fahrgäste weg und wurde bald von den mitfahren Rathausbeamten genauer beäugt. "Sind da Tiere drin?" wurde er gefragt, oder "Was ist in der Schachtel?"

Steidl meinte, das würde er mit dem Stadtrat besprechen. Da er warten musste, ging er mit der Schachtel auf und ab, war überall im Weg und wurde somit vorgenommen, damit er nicht die anderen Fahrgäste störte.

Man muss nur unnötig Platz verbrauchen

Eine Schachtel in der Tram

Als er bei "Svi" am Tisch saß, zeigte sich auch dieser neugierig: Was wohl in der Schachtel drinnen sei? Steidl ließ ihn nicht lange zappeln und sagte: "Schauen Sie, es ist wie mit dem Autoverkehr. Wenn man unnötig viel Platz braucht, allen im Weg ist und dabei auch noch stört, hat man sofort die Aufmerksamkeit der Rathausbeamten, ist sofort bei ihnen am Tisch und alle interessieren sich für einen. Es wird alles unternommen, damit ich mit dieser blöden Schachtel einigermaßen ungestört in der Tram auf- und abgehen kann. Man muss also nur unnötig viel Platz verbrauchen, und wird sofort ernst genommen. Und es ist wie mit dem Autoverkehr: denn keiner fragt, ob diese Schachtel überhaupt notwenig ist."Dann machte er die Schachtel vor Stadtrat Svihalek auf und sie war – LEER."Sehen Sie, auch das ist wie beim Autoverkehr! Das ganze Trara wegen viel unnötig mitgeführter Luft. Ich hoffe, Sie haben verstanden, was ich damit sagen will."Dann stieg er aus und traf sich in illustrer Runde auf eine Pizza, wo er mir diese Geschichte erzählte.


Manfred Steidl war "Citybiker" der ersten Stunde und Bezirksrat im dritten Wiener Gemeindebezirk. Die ersten Fahrstreifen für Radfahren gegen die Einbahn gehen ebenso auf ihn zurück, wie die Initiative "Radfahren am Freitag (RaF)", der Vorläufer des Friday-Night-Skating. Er erlag 2006 einem Herzinfarkt.

Friedrich Svihalek war Abgeordneter zum Nationalrat und bis 2001 amtsführender Stadtrat für Umwelt und Verkehr in Wien. Heute widmet er sich vorrangig seinen Auftritten als Schlagersänger. www.svi.at

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