Der Anlassfall war rückblickend fast schon banal: Weil Umweltministerin Leonore Gewessler bei noch offenen und teils auf Jahrzehnte angelegten Straßenbauprojekten ein paar Wochen (!) lang prüfen lässt, ob diese klug und nötig sind, wurde sie von führenden Türkisen sinngemäß als zukunfts- und wirtschaftsfeindlich punziert. Am Sonntag las schließlich Parteichef Werner Kogler der Kanzler-Partei die Leviten: Die Vorwürfe an Gewessler seien eine „alte primitive Masche“; und die Berater des Regierungschefs erinnern den grünen Vizekanzler bisweilen an „Betonköpfe“.
Woran liegt die Entfremdung? Gibt es, wie garstige Beobachter kolportieren, tatsächlich eine türkise „Stall-Order“, wonach man der wichtigsten grünen Ministerin nach Möglichkeit am Zeug flickt? Liegt’s an den Ländern, die mehr Druck auf den Kanzler machen, weil sie um Bauprojekte bangen, auf die sie seit Jahren warten?
Letztlich sind die Gründe fast egal.
Viel wichtiger ist, dass sich die Ausgangslage ganz anders darstellt als bei früheren Konflikten. Denn während die Grünen die türkise Härte-Rhetorik bei nächtlichen Abschiebungen mindestens ebenso an ihre politische Schmerzgrenze gebracht hat wie die Justiz-Schelte der ÖVP, weiß sich der kleinere Koalitionspartner beim Klimaschutz erstmals auf eigenem Terrain.
Für Kogler und seine Partei sind Hochwasser-Katastrophen, Dürre-Phasen und fast surreale Tornados an der Staatsgrenze taugliche Anlässe, um auf die Inhalte des Regierungsprogramms zu verweisen: Da steht an vielen Stellen und in fetten Lettern, dass Österreich bis 2040 „klima-neutral“, also ein Vorzeige-Land in Sachen Klimaschutz wird.
Die Grünen und deren Umweltministerin scheinen wild entschlossen, das umzusetzen. Die Rhetorik mancher Türkisen lässt andere Schlüsse zu. Aber vielleicht ändert sich das.
Oder hat der Kanzler den Satz mit dem „Besten aus beiden Welten“ am Ende doch nicht so ernst gemeint?
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