Wie soll der Staat also mit jenem Viertel der Bevölkerung umgehen, das sich nicht impfen lassen will? Sogar Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel, eine besonnene, liberal denkende Staatslenkerin mit Herz, hat schon klar gesagt: „Ohne Impfung kann man vielleicht bestimmte Dinge eben nicht machen.“ Das klingt hart und ist es auch. Denn warum sollen der Staat und die Steuerzahler für die Testkosten jener Menschen in Millionenhöhe aufkommen, die einen geprüften und genehmigten Impfstoff verweigern – und damit auch den Bürokollegen am Nebentisch gefährden? Wobei jene, die aus gesundheitlichen Gründen nicht geimpft werden dürfen, selbstverständlich auszunehmen sind. Für sie ist das soziale Netz ja da.
Aber ist es andererseits das Recht des Staats, faktisch eine Impfpflicht durch die Hintertür einzuführen, weil Testangebote zu teuer oder zu unbequem werden? Der von liberal Denkenden favorisierte Nachtwächterstaat, der nur zum Schutz des Eigentums und zur Sicherung der öffentlichen Ordnung eingreifen soll, ist in der Pandemie ohnehin schon zum lästigen Oberaufseher geworden, der kleinste Bereiche unseres Lebens regelt, kontrolliert und die Freiheiten einschränkt. Ist die Pandemie vorbei, hat sich der Staat auch wieder zurückzuziehen. Und auch hier gilt die Ausnahme, dass für Menschen in Berufen mit hohem Risiko für die Gesundheit eine Impfpflicht geboten ist.
Die beiden Pole der Debatte zeigen, dass die in Vorarlberg aufgeworfene Frage einer grundsätzlichen Klärung bedarf. Der Staat muss den Rahmen für unser weiteres Zusammenleben regeln und eine entscheidende Frage beantworten: Muss man sich vor dem Coronavirus künftig selbst schützen, oder ist der Nichtgeimpfte weiter eine Gefahr und darf daher in seinen Rechten eingeschränkt werden? Die Kosten und Nachteile sind dann wohl selbst zu tragen, denn irgendwann muss aus dieser Pandemie wieder Normalität werden, auch wenn das Virus weiter unter uns ist.
Und über das heiße Eisen, ob Kinder einmal für die Schule geimpft sein müssen, müssen wir auch noch reden.
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