Digitalisierung: Disruption ist kein Beinbruch

Die Digitalisierung fördert politische Foto-Models zutage und Daten, die zu Geld gemacht werden.
Johanna Hager

Johanna Hager

Die Mächtigen mimen Models. Nutzen jede Begebenheit, um sich ins Bild und rechte Licht zu rücken. Trump am Festnetztelefon mit Melania, Macrons eheberingte Hand zwischen Helfern, Kurz vor dem Abflug: Als Momentaufnahmen getarnte Inszenierungen. Tiefenschärfe statt Tiefgang.

Präsidenten, Regierungschefs, Minister – sie alle haben einen: Der Instagram-Account ist zur Grundausstattung des Politikers geworden. Eine Handvoll Social-Media-Experten muss ein Regierender sein Eigen nennen, will er mit Bild, Wort und Video im weltweiten Netz und nicht zuletzt beim Wähler wahrgenommen werden.

Doch was sagen die mit Worten und #-Zeichen versehenen Fotos und Videos über den Gezeigten aus? Was über das Berufsbild und über jene 11,1 Millionen Trump-, 1,3 Millionen Macron- oder rund 59.000 Kurz-Abonnenten, die sich freiwillig Politiker-Fotos ansehen? Viel. Über uns. Und das digitale Zeitalter.

In der modernen Bilderbuchwelt nährt die Pose das Image. Nicht die politische Position. Niemand muss bei diesem Fast Food für das Auge einen Fake-News-Vorwurf fürchten. Jeder weiß, dass die Fotos mit Filtern bestenfalls dem Image des Instagram-Account-Inhabers, jedenfalls der kurzfristigen Unterhaltung des Betrachters dienen. Meinungsmache im Minutentakt. Mehr nicht. Mit einem Wisch ist denn auch alles weg. Hängen bleibt wenig. Oft genug ist es nur der Daumen am Handy.

WhatsAppitis nennen Mediziner das durch das Smartphone überbeanspruchte Handgelenk – eine neue Zivilisationserkrankung. Es ist nur eine Auswirkung der digitalen Zeit. Unserer Zeit. Was wir erleben ist Disruption.

Daten – Das Erdöl des 21. Jahrhunderts

Nein, kein komplexer Beinbruch oder englischer PR-Jargon, sondern die Auswirkung von Technologien auf vorhandene Techniken oder Dienstleistungen – bis diese in ihrer Entwicklung unterbrochen (engl. to disrupt) oder zerstört werden – ist gemeint. Die Technik, die in Smartphones integriert wurde und auf der Instagram & Co basieren, hat ganze Branchen verdrängt. Die Gesellschaft verändert. Die Digitalkamera, Disruption par excellence, macht analoge Kameras und Film-Hersteller wie Kodak obsolet, Illustrierte bereits vor Andruck zu Altpapier.

Dafür wird Neues zutage gefördert. Daten zum Beispiel. Unmengen von Daten. Daten, die zum Erdöl des 21. Jahrhunderts geworden sind.

Dank des Öls kann es sich Instagram leisten, seinen Dienst kostenlos anzubieten – zahlen doch eine Milliarde Nutzer weltweit mit ihren Daten. Ebenso verhält es sich beim zu Facebook gehörenden Messengerdienst WhatsApp. Und Twitter. Und … Und wie verhält sich der Nutzer? Still – solange er sich nicht be- oder gar ausgenutzt fühlt. Doch was passiert mit Daten ehe sie zu Geld werden? Was bringt die Digitalisierung? Für jeden von uns?

Fragen, die nach Antworten verlangen. Von der Bundesregierung, die 2019 auf Digitalisierung setzt. Von Konzernen, die von Disruption leben. Von Medien, die Algorithmen, Blockchain und Co. erklären müssen. Damit sich jeder sein eigenes Bild machen kann.

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