Die Wahrheit: (k)ein Stiefkind in Redaktionen?
Als Bürger erwartet man eine vom Präfix "Lügen" bereinigte Presse
In seinem Leitartikel vom 23. Februar brach KURIER-Chefredakteur und Herausgeber Dr. Helmut Brandstätter eine Lanze für journalistische Wahrheitssuche als Gegenmittel zu "alternativen Fakten" von Populisten.
Brandstätters Bekenntnis ist wohl höher einzuschätzen als andere verkaufsfördernde Parolen aus der Branche angesichts der für traditionelle Qualitätsmedien härteren Bedingungen in der digitalisierten Wirtschaft und Gesellschaft.
Fundierte Information
Als Bürger erwartet man eine vom Präfix "Lügen" bereinigte Presse mit fundierter Information – und zahlt bereitwillig dafür.
Politischer Populismus liest sich hingegen genauso billig wie die Hofberichterstattung ganzer Politik-Ressorts.
Lediglich Parteigänger, PR-Agenten und Lobbyisten erfreuen sich an "benevolenten" Journalisten – "Querulanten" verschwinden in der medialen Bedeutungslosigkeit.
Mit Recht sorgen sich Presserat und Presseclub Concordia wegen eines jüngsten Urteils des Obersten Gerichtshofes wonach sogenannte Gefälligkeitsartikel nicht mehr als Werbung gekennzeichnet werden müssten. Ein verbreiteter Trend klammer Verlage, der – im konkreten Fall von zwei burgenländischen Regionalzeitungen – nunmehr gerichtsnotorisch ist.
Unterm Strich beschädigt untertänigster Journalismus die Pressefreiheit – also das Privileg, den "Mächtigen auf die Füße zu treten" (Zitat Brandstätter) – ebenso wie staatliche Zensur eine demokratische Republik. Dagegen hat der natürliche Antagonismus zwischen kritischen Pamphletisten und korrupten Hofschranzen die Öffentlichkeit immer schon bewegt – ähnlich wie eine echte Hetz in den jeweiligen Arenen ...
Was den heimischen Informations- und Unterhaltungsmedien heute am meisten fehlt, ist die Qualität von international konkurrenzfähigen Produkten.
Hierzulande prahlen Medienmacher, deren Produkte womöglich "Österreich" im Titel tragen, mit Exklusivität, folgen in Wahrheit eher verlegerischem Kalkül ("Kampagnenjournalismus") oder parteipolitischer Opportunität – wie Presseförderung in Millionenhöhe es eben erwarten lässt.
Bei Film- und Fernsehproduktionen verhält es sich mit wenigen Ausnahmen nicht anders.
Kooperationen
Um nicht von Subventionen (und Parteien) abhängig zu sein, müssen am Medienmarkt tragfähige Nachrichtenformate den Innovationskurs einschlagen. – Teure Korrespondenten aus dem eigenen Verlag, die tagesaktuell kaum mehr berichten als Agenturen vor Ort, müssen sich im 21. Jahrhundert nur noch Traditionsmedien wie die BBC leisten.
Hingegen sollten heimische Redaktionen stärker mit internationalen Recherchekonsortien von Online- und Datenjournalisten kooperieren.
Harte Recherchen wie im "DIE ZEIT"-Bericht vom 23. Februar 2017 über Milliarden von Steuergeld verbrennende Netzwerke der Sicherheitsindustrie (Stichwort EADS/Eurofighter) bringen international Aufsehen und damit den Konflikt mit politisch und finanziell Mächtigen.
Das verlangt den gerichtsfesten Wahrheitsbeweis statt Lippenbekenntnisse.
Mag. Dr. Bernhard Martin ist freier Mediensoziologe in Wien
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