Die Stimme der Zu- oder Abneigung

Die Umstände der Tat waren heftig genug, ein "Ausschmücken" absolut verzichtbar. Unvoreingenommenheit schaut anders aus.
Ricardo Peyerl

Ricardo Peyerl

Eine junge Afghanin wird von ihrem älteren Bruder mitten in Wien mit 28 Messerstichen regelrecht abgeschlachtet. Sie habe die „Familienehre“ beschmutzt, sagt er, weil sie sich nicht der „Kultur“ ihrer Heimat (Kopftuch etc.) unterwerfen wollte. Man kann sich beim Mordprozess gegen den Bruder einem Gefühl der Abscheu ohnehin nur schwer entziehen. Von den Geschworenen aber wird verlangt, „der Stimme der Zu- oder Abneigung kein Gehör zu geben“. Und der zur Unbefangenheit verpflichtete Prozessvorsitzende? Nennt den Angeklagten lange vor Schluss der Beweisaufnahme „Täter“ und die Getötete „MORD-Opfer“. Drängt die Geschworenen, sich zur Illustration der „Brutalität“ die Fotos der Messerstiche „vom Hals bis zu den Fersen“ zu Gemüte zu führen. Gehört das immer noch zur (Prozess-)Kultur unseres Landes?

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