Die Reziprozität in der Burka-Frage

Die Reziprozität in der Burka-Frage
GASTKOMMENTAR

Homayoun Alizadeh

Man sieht kaum muslimische Frauen ohne Kopfbedeckung

von Homayoun Alizadeh

über islamische und westliche Werte

Die Burka-Frage wird in den letzten fünf Jahren in zwei gänzlich gegensätzlichen Auslegungen gehandhabt. In Deutschland und Österreich wird ein Verbot von Burka bzw. Niqab als eine Einschränkung persönlicher Rechte bzw. die Verletzung von verfassungsrechtlich garantierten Grundrechten angesehen. In Frankreich hingegen betrachtet man das Tragen von Burka als unvereinbar mit europäischen Werten und Normen. Das Tragen der Burka stehe im Widerspruch zu den Werten der Republik Frankreich als säkularem Staat mit den Prinzipien der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau und Freiheit von religiösem Zwang.

Politisches Zeichen

Die islamische Bekleidung ist unter anderem als eine politische Manifestation gegen westliche Werte und Normen zu verstehen. Dies kam vor allem nach der iranischen Revolution von 1979 zutage, als Ayatollah Khomeini das Tragen des "Tschador" als eine eindeutige Manifestation gegen den als westlich gesinnten Shah Reza Pahlewi propagierte. Heute, 35 Jahre nach der Revolution, werden immer noch Frauen auf offener Straßen von dafür eingesetzten Sittenwächtern wegen ihrer zu kurz getragenen Kopfbedeckung geprügelt oder gar von religiösen Fanatikern mit Säure bespritzt. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass vor der iranischen Revolution von 1979 kaum Frauen mit Kopfbedeckung oder Burka in Indonesien oder Malaysia zu sehen waren. Heute sieht es anders aus. Man sieht kaum muslimische Frauen ohne Kopfbedeckung auf den Straßen von Jakarta oder Kuala Lumpur.

Man möge der Argumentation der deutschen Bundeskanzlerin Merkel beipflichten, dass die in Deutschland lebenden muslimischen Frauen das Recht genießen sollten, ihren Glauben öffentlich bekunden zu dürfen, ohne vom Staat in der Ausübung ihrer religiösen Gebote und Sitten behindert zu werden. Die Frage stellt sich nun, ob die in Europa agierenden islamischen Gemeinden und Organisationen im Gegenzug die westlichen Werte der persönlichen Freiheit, der Toleranz sowie Selbstbestimmung der Frau respektieren würden. Diese Frage ist leider mit Nein zu beantworten, zumal die Integration der muslimischen Mitbürger/innen in die europäischen Gesellschaften bisher ohne Erfolg blieb. Als ein Beispiel möge man die große Demonstration der aus der Türkei stammenden und in Deutschland lebenden Türken in Erinnerung rufen, bei der sich rund 40.000 Teilnehmer in Köln nach dem gescheiterten Militärputsch im vergangenen Juli hinter den Präsidenten Recep Erdoğan stellten, um seinen Kurs zur Belebung des traditionellen Islams sowie zur Abschaffung der Grundfreiheiten und der Demokratie in der Türkei Ausdruck zu verleihen.

Recht und Werte

Die Respektierung der Rechte der in Europa lebenden muslimischen Mitbürger/innen ist eine Sache. Die Respektierung europäischer Werte und Normen seitens dieser Personengruppe ist eine andere. Es kann nicht sein, dass muslimische Frauen bzw. die islamischen Gemeinden und Organisationen das Recht für sich beanspruchen, in den modernen europäischen Gesellschaften den Glauben an den Islam öffentlich bekunden zu dürfen, zugleich aber die westlichen Werte der Toleranz, Meinungsvielfalt und der vollen Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau mit Verachtung und Respektlosigkeit zu begegnen. Diese Einbahnstraße darf es nicht geben. Das Prinzip der Reziprozität ist hier geboten. Diese politische Botschaft muss stärker in den Vordergrund gestellt werden. Eine diesbezügliche Nachsicht wäre gesellschaftspolitisch fatal für die Zukunft Europas.

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