Die Pflege-Roboter haben keine Zukunft

Im Pflegewesen sind Maschinen nicht Teil der Lösung, sondern sehr oft Teil des Problems.
Christian Böhmer

Christian Böhmer

Sie sehen ja ganz herzig aus mit ihren aufgemalten Glubschaugen. Auch die Namen – „Robear“, „Pepper“ und so weiter – klingen durchaus putzig. Und bedenkt man, dass sie einem Menschen jeden Wunsch von den Augen ablesen können, weil sie die Mimik analysieren und fragen, ob man Hunger oder Durst hat, dann könnte man Pflege-Roboter für die Lösung unserer Herausforderungen im Pflege-System sehen.

Interessenvertreter der älteren Generation tun das nicht. Sie fürchten die Robotisierung, warnen vor der „Entmenschlichung“ – und das völlig zu Recht.

Allein der Begriff „Pflege-Roboter“ ist irreführend. Roboter können keine vollwertigen Pfleger sein.

Um keinen falschen Eindruck zu vermitteln: Maschinen sollen, ja müssen im medizinischen Alltag helfen. Niemand mit Verstand kann den segensreichen Fortschritt von EKG, Herzlungen-Maschinen oder Computertomografen ernsthaft bezweifeln.

Zentrum der Pflege

Bei der Pflege ist die Sache anders. Hier sind Roboter nicht Teil der Lösung, sondern eher Teil des Problems. Wer nur ein wenig Zeit darauf verwendet, mit Betroffenen und Fachleuten zu sprechen, weiß: Menschliche Zuwendung ist nicht ein „Luxus“, den man den zu Pflegenden „halt auch ein bisserl“ zukommen lassen soll, nachdem man sie mit Essen, Trinken und Tabletten versorgt hat. Menschliche Ansprache bildet das Zentrum der Pflege. Fehlt sie, dann fehlt meist alles.

Man kann das an konkreten Beispielen festmachen: Wenn Pflegepatienten zu Hause oder im Heim aggressiv reagieren oder unter Schlafstörungen leiden, hat das bisweilen damit zu tun, dass sie sich vernachlässigt oder ignoriert fühlen. Oft liegen sie dabei richtig – wie soll sich ein einziger Pfleger um 15, 20 oder mehr Patienten mit der gleichen Empathie kümmern?

Nun mag es stimmen, dass Roboter bei der Dosierung von Beruhigungs- oder Schlafmitteln im Vergleich zu Menschen weniger bis gar keine Fehler machen.

Was aber wäre, wenn die zu Pflegenden die erwähnten Medikamente überhaupt nicht nehmen müssten, weil sie ausreichend Ansprache haben – und deshalb nicht gekränkt oder aggressiv reagieren?

Routinierte Helfer können zu Pflegende mit einer einzigen Berührung der Hand besänftigten und dank der Beschaffenheit von Haut und Muskeln spüren, wie es den Menschen physisch geht – wie steht’s um Puls und Blutdruck, ist er oder sie dehydriert, etc. Diese Zeit ist wesentlich, pathetisch könnte man sagen: sie ist heilig.

Wenn die Bundesregierung eine innovative und nachhaltige Lösung für das Pflegesystem vorlegen will, muss sie das Wirrwarr an Betreuungsregeln und -leistungen so reformieren, dass möglichst viele Betreuer möglichst viel Zeit für die zu Pflegenden aufbringen können.

Das ist die Gesellschaft nicht nur den älteren Mitmenschen schuldig. Wenn sie sich als eine humanistisch geprägte versteht, ist sie es vor allem sich selbst schuldig.

Kommentare