Die OSZE braucht eine an Grundsätzen orientierte Führung

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GASTKOMMENTAR
Daniel B. Baer

Daniel B. Baer

Österreich ist bestens aufgestellt, einen nachhaltigen Beitrag zu internationalem Frieden zu leisten

von Botschafter Daniel B. Baer

über die Herausforderungen an die OSZE

Für Millionen Menschen in aller Welt stehen am Ende des turbulenten Jahres 2016 Hoffnungen, Erwartungen und Unsicherheiten. 2017 verspricht, ein Jahr der Übergänge zu werden. Bereits in den ersten Wochen des Jahres erleben wir eine Reihe von wichtigen politischen Übergängen. In den USA wird nächste Woche ein neuer Präsident sein Amt antreten. Österreich wird wenige Tage später sein neues Staatsoberhaupt angeloben. Wahlen stehen bevor in Frankreich, Deutschland, Ungarn, und möglicherweise auch in Russland - abhängig davon, wann Präsident Putin sich entschließt, sie abzuhalten.

Der Beginn eines neuen Jahres bringt auch einen Führungswechsel bei der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa mit sich. Österreich wird 2017 den OSZE Vorsitz übernehmen. Heute werden die Delegationen der 57 OSZE Teilnehmerstaaten in der Hofburg zusammenkommen, um ihre erste Sitzung des Jahres abzuhalten, bei dem Österreichs Außenminister Sebastian Kurz seine Vision für die Organisation und ihre Arbeit in den nächsten zwölf Monaten erläutern wird.

Es steht viel auf dem Spiel. Der Brexit, der von Russland herbeigeführte Ukraine Konflikt, der Migrationsdruck, der immer enger werdende Bewegungsspielraum für unabhängige Kräfte in autoritären Staaten und solchen mit rückläufiger demokratiepolitischer Entwicklung, sowie der Aufstieg eines autoritären Populismus lassen Zweifel aufkommen an der Zukunft der europäischen Sicherheit, und daran, ob die Länder – und ihre politischen Führungskräfte – in der Lage sind, den Herausforderungen unserer Zeit zu begegnen. Mit Minister Kurz am Ruder der weltweit größten regionalen Sicherheitsorganisation und eines wichtigen Forums für Länder aus Europa, Zentralasien und Nordamerika, wenn es darum geht, die drängenden Fragen bezüglich, Politik, Sicherheit und Menschenrechte anzugehen, ist Österreich bestens aufgestellt, einen positiven und nachhaltigen Beitrag zu internationalem Frieden und Sicherheit zu leisten.

Dies sind fünf Möglichkeiten, wie Österreich sicherstellen kann, dass sein OSZE Vorsitz ein Erfolg wird:

1. Im Ukrainekonflikt Einheit und Fokus wahren: Der von Russland herbeigeführte Konflikt in der Ostukraine und die illegale Besetzung der Krim dauern unvermindert an, und es gibt keine Anzeichen, dass der Kreml beabsichtigt, seinen Verpflichtungen nachzukommen und die Bedingungen des Minsk Abkommens zu erfüllen. Moskaus politisches, militärisches, wirtschaftliches und propagandistisches Bestreben, den demokratischen Prozess in der Ukraine zu untergraben, bleibt die dringlichste sicherheitspolitische Herausforderung Europas im Jahr 2017. Minister Kurz’ jüngster Besuch in Mariupol war ein starkes Signal, dass Österreich die Ukraine weiterhin ganz oben auf der OSZE Agenda ansiedelt. Die fortdauernde politische, wirtschaftliche und weitere notwendige Unterstützung für die Sonderbeobachtermission der OSZE (Special Monitoring Mission – SMM) in der Ostukraine und die Befürwortung der Ausweitung der Beobachtermission an der russisch-ukrainischen Grenze sind von entscheidender Bedeutung, wenn es darum geht, die internationale Gemeinschaft mit unparteiischen, sachlichen Informationen über die Situation vor Ort zu versorgen, während die diplomatischen Bemühungen zur Beendigung der Gewalt, andauern.

2. An Grundsätzen orientierte Führung demonstrieren: Österreich ist bestens aufgestellt, seinen Vorsitz zu nutzen, um unsere kollektive Sicherheit und gemeinsamen Werte voranzutreiben. Innerhalb der OSZE einen Konsensus herzustellen ist schwierig, und es ist wichtig, nicht den Fehler zu machen, sich zwischen der Wahrung der Sicherheit und dem Schutz der Menschenrechte entscheiden zu wollen. Beides ist untrennbar verbunden. Die Verteidigung von Grundfreiheiten, Menschenrechten, demokratischen Prinzipien und universellen Werten wie Gleichheit, Toleranz und Vielfalt trägt bei zur Sicherheit und Stabilität innerhalb der einzelnen Staaten und zwischen ihnen. Als OSZE Vorsitzland kann Österreich fair und ausgewogen agieren, indem es alle OSZE Mitgliedstaaten – einschließlich der Vereinigten Staaten – dazu anhält, diese Grundsätze und Verpflichtungen umzusetzen und auch dann daran festhält, wenn einzelne Länder vorsätzlich versuchen, diese zu erodieren.3. Die OSZE und ihre Institutionen stärken: 2017 wird ein wichtiger Übergang sein - nicht nur für die Führung in einzelnen OSZE Staaten, sondern auch innerhalb der OSZE. Die Bestimmung und Auswahl starker, kompetenter und effektiver Führungspersönlichkeiten für die Positionen des OSZE Generalsekretärs, des Direktors des Büros für demokratische Institutionen und Menschenrechte, des/der Beauftragten für Medienfreiheit und des/der Hohen Kommissars oder Kommissarin für nationale Minderheiten wird für den Erfolg der Organisation von entscheidender Bedeutung sein. Diese Auswahlprozesse sollten transparent, wettbewerbs- und leistungsorientiert sein und sicherstellen, dass bestens qualifizierte Kandidaten ernannt werden, die über das Wissen, die Fähigkeiten und die Erfahrung verfügen, um erfolgreich zu sein. Als OSZE Vorsitzland hat Österreich auch großen Einfluss auf die OSZE Budgetverhandlungen und könnte darüber hinaus auch die internen Abläufe der Organisation entscheidend verbessern durch Straffung und Optimierung der internen Entscheidungs- und Verwaltungsprozesse.

4. Die OSZE nach außen öffnen: Es ist kein Geheimnis, dass die meisten Menschen nicht mit der OSZE und ihrer Arbeit vertraut sind, einfach weil der größte Teil der von der Organisation geleisteten Arbeit hinter verschlossenen Türen stattfindet. Österreich kann dazu beitragen - durch Förderung der Zivilgesellschaft und Beteiligung der Öffentlichkeit an der Arbeit der Organisation - ihre Bekanntheit zu steigern, neue Partner zu gewinnen, und eine öffentliche Unterstützung für die OSZE aufzubauen. Transparenz und Vertrauensbildung sind nicht nur nüchterne Sicherheitsbegriffe, als die sie typischerweise im OSZE Kontext am häufigsten verwendet werden, sondern wir schulden es unseren Bürgern, ihnen zu zeigen, wie ihre Regierungen für sie arbeiten. Live-Übertragungen von Sitzungen des Ständigen Rats, die Schaffung von Möglichkeiten für NGOs, Akademiker, Industriemanager und Menschenrechtsaktivisten, an OSZE Aktivitäten teilzunehmen, und die Verbesserung des Zugangs für Journalisten bei ihrer Berichterstattung über die OSZE, würde der Organisation helfen, ihre Grundsätze und Werte stärker zu leben.

5. Die OSZE mobilisieren, die Herausforderungen unserer Zeit anzusprechen: Die OSZE ist ein einzigartiges Forum, in dem alle EU Mitgliedstaaten, Russland und die zentralasiatischen Staaten versammelt sind. Darauf sollte Österreich aufbauen und einen realen, bedeutungsvollen Dialog führen, der sich auf die wirklich wichtigen Themen konzentriert und nicht auf Nebenschauplätze, wo eine Einigung leicht erreichbar wäre. Als OSZE Vorsitzland ist Österreich CEO einer Organisation, die von Vancouver bis Wladiwostok reicht, und hat die Gelegenheit, frischen Wind in die Bemühungen um die Lösung langwieriger Konflikte zu bringen und die OSZE Teilnehmerstaaten und ihre mediterranen und asiatischen Partner dazu zu bringen, das Tempo und die Qualität der Antwort der internationalen Gemeinschaft auf die kommenden Sicherheitsherausforderungen zu verbessern. Die Ernennung von Sonderbeauftragten für spezielle Themenbereiche kann dazu beitragen, den Dialog zu fokussieren und eine zuständige Person zu bestimmen, die vorrangige Themen vorantreibt.

In einem Jahr des Übergangs und Wandels wird ein an Grundsätzen orientierter österreichischer OSZE Vorsitz einen sinnvollen und wichtigen Beitrag leisten zu unseren gemeinsamen Bemühungen um ein geeintes, freies und friedliches Europa. Als Träger des Mantels, der die Organisation umhüllt erwarten die Menschen von Außenminister Kurz und seinem Team nicht nur, dass sie bei der Lösung von Konflikten helfen und die Sicherheitsherausforderungen ansprechen, sondern dass sie vier Jahrzehnte Arbeit zur Schaffung freierer und gerechterer demokratischer Gesellschaften, die den Menschen ermöglichen, ihr volles Potential zu entfalten, vorantreiben. Das ist ein großes Unterfangen, aber es ist das Richtige. Wenn Österreich diese Herausforderung unbeirrt und entschlossen annimmt und seinen Einsatz in unseren gemeinsamen Werten verankert, bin ich sicher, dass sein OSZE Vorsitz ein Erfolg wird.

Botschafter Daniel B. Baer, Ständiger Vertreter der Vereinigten Staaten bei der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), Wien, Österreich

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