Die Opposition muss sich neu erfinden
Martina Salomon
10.01.20, 05:00Wie geht es eigentlich der Opposition? Die neue Regierung hat ihr die Schau gestohlen. Zwei müssten darüber froh sein: SPÖ und FPÖ. Durch die scharf kalkulierte türkis-grüne Informationspolitik, die lange vor allem eine Nicht-Information war, war die Opposition ins Scheinwerferlicht gerückt. Und damit all ihre Probleme.
Die SPÖ hat sich in den vergangenen Jahren thematisch auf das Feindbild Türkis-Blau verengt. Jetzt wird sie notgedrungen Oppositionsallianzen mit der FPÖ im Parlament schließen müssen. Das ist nicht so schwer, wie es wirkt: In Sozialthemen war man oft einer Meinung. Rot-Blau bemüht sich jetzt schon, die Grünen als "sozial kalte" Wendehälse abzustempeln, die vom großen Bruder Sebastian Kurz über den Tisch gezogen wurden.
Das hat nur den Schönheitsfehler, dass Rot selbst mit Grün in Wien regiert. Genau dort steht heuer viel auf dem Spiel: Die letzte rote Machtbastion muss verteidigt werden, und die SPÖ hofft, dass bis zum Wahltag im Herbst die ersten Fetzen im Bund fliegen. Warum eine starke Sozialdemokratie notwendig ist, muss sie dennoch neu erklären. Ein bisschen scheint da die Platte hängen geblieben zu sein. In der heutigen Nationalratssitzung werden Anträge für mehr soziale Gerechtigkeit eingebracht. Mehr von allem, wer will das nicht? Aber in einem Land mit so hoher sozialer Umverteilung wirkt das schon etwas retro. Außerdem ist nicht klar, ob die SPÖ nun rechts blinkt oder doch als einzige linke Partei wahrgenommen werden will. (Oder so wie Hans-Peter Doskozil beide Richtungen zu vereinen sucht.) Und Pamela Rendi-Wagner? Sie wäre eine tadellose Vizekanzlerin gewesen, aber Oppositionschefin?
Spaltung nicht vom Tisch
Bei der FPÖ ist es ähnlich: Norbert Hofer war ein konziliantes Regierungsmitglied, passt aber nicht zum aggressiven Oppositionskurs, zu dem die Partei wohl zurückkehren wird. Klubobmann Herbert Kickl steht dafür. Die Partei hat sich nach dem Ibiza-Desaster gestern neue Compliance-Regeln verordnet. Aber ein echter Neustart schaut anders aus. Auch eine Spaltung – sollte Heinz-Christian Strache in Wien antreten – ist noch nicht vom Tisch. Gestern wechselten wieder drei blaue Bezirksräte (aus Wien-Favoriten) zur blauen Abspaltung DAÖ.
Bleiben die Neos. Krise gibt es keine, aber auch hier sucht man eine neue Nische. Während des Wahlkampfes war es die Rolle der konstruktiven Oppositionspartei, die in einer wackeligen Koalition für mehr Stabilität sorgen könnte. Diese Erzählung ist jetzt erst einmal vorbei, was den Pinken sichtbar weh tut. Sie wirken neuerdings ein wenig verbissen, wenn sie nach den Haaren in der Koalitionssuppe suchen. Nein, 2020 ist wohl nicht das Jahr der Opposition – aber möglicherweise das Jahr ihrer Selbstfindung.
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