Die neue EU-Tabakprodukt-Richtlinie

Die neue EU-Tabakprodukt-Richtlinie
Die EU hat eine neue Tabak-Richtlinie erlassen. Für Mediziner gehen die Warnungen vor dem Rauchen nicht weit genug.
Manfred Neuberger

Manfred Neuberger

Tatsächlich erleichtern diese Produkte Nichtrauchern den Einstieg in die Nikotinsucht und erschweren Rauchern den Ausstieg.

von Prof. Dr. Manfred Neuberger

über die EU und die Gefahren des Rauchens

Die Richtlinie 2001/37/EG legte verbindlich Obergrenzen von je 10 mg Teer und Kohlenmonoxid (CO) und 1 mg Nikotin pro Zigarette fest. Doch stellte sich bald heraus, dass die Angaben der Schadstoffgehalte auf den Zigarettenpackungen die Raucher in falscher Sicherheit wiegten und nicht den Schadstoffmengen entsprachen, die tatsächlich aufgenommen wurden. Außerdem entwickelte die Tabakindustrie Zusätze, die dem Rauchanfänger den Einstieg erleichtern und als Suchtverstärker wirksam werden. Die neue Richtlinie behält zwar die Obergrenzen, verlangt aber anstelle der irreführenden Angaben zum Teer-, CO- und Nikotingehalt Warnbilder, die das tatsächliche Risiko veranschaulichen. Erstmals werden Zusatzstoffe verboten, die Kindern den Einstieg in die Nikotinsucht (z. B. Schokoladearoma) und den ersten Lungenzug (z. B. Menthol) erleichtern und aus denen z. T. bei der Verbrennung zusätzliche Schadstoffe entstehen (z. B. krebserzeugende Aldehyde aus Süßstoffen, Farbstoffe, etc.).

Aromastoffe

Leider wurde keine Positivliste erlaubter Zusatzstoffe aufgestellt und alle anderen verboten. Auch erscheint das Verbot „charakteristischer“ Aromen ungenügend und die Überwachung durch eine Kommission schwer durchführbar. Schon bisher kontrollierte sich die Tabakindustrie durch eigene Labors selbst (z. B. in Österreich durch das „Ökolab“) und orientierte sich dabei eher am Umsatz als am Konsumentenschutz. Auch konnte man sich nicht zu einer einheitlichen und schmucklosen Verpackung wie in Australien durchringen, um diese Werbemöglichkeit zu beseitigen. Zwar wird den Nationalstaaten erlaubt, das vorzuschreiben, aber Österreich dürfte wegen des starken Einflusses der Tabaklobby wieder bei den letzten sein, die diese Möglichkeit ergreifen. Immerhin werden irreführende Bezeichnungen (leicht, mild, biologisch, etc.) und Aufmachungen (schlanke Zigarette) untersagt, die Textwarnungen durch Farbbilder ergänzt und dafür Mindestgrößen von je 75 Prozent der Vorder- und Rückseite vorgeschrieben. Ein Sicherheitskennzeichen (z. B. Hologramm) soll es in Zukunft ermöglichen, Schmuggelware bis zum Hersteller zurückzuverfolgen. Es ist zu hoffen, dass das EU-Parlament diese Vorschriften noch verbessert (z. B. Aufdruck der Nummer des Rauchertelefons auf jeder Packung).

Suchteinstieg

Erstmals werden auch Kräuterzigaretten sowie rauchlose Tabak- und Nikotinprodukte reguliert, die in den letzten Jahren verstärkt auf den Markt drängen und als Zigarettenersatz beworben werden, obwohl sie nicht nach Arzneimittelgesetzen geprüft wurden, wie die Nikotinersatzprodukte aus der Apotheke. Tatsächlich erleichtern diese Produkte Nichtrauchern den Einstieg in die Nikotinsucht und erschweren Rauchern den Ausstieg. Sie führen oft zu Mehrfachabhängigkeiten und langfristig zu Krankheiten. Gottlob bleibt das Verbot von Lutschtabak (Snus®) aufrecht, das u. a. zu Bauchspeicheldrüsenkrebs führt. Bei nikotinhaltigen Produkten, die >2 mg/Einheit oder >4 mg/ml enthalten oder bei bestimmungsgemäßem Gebrauch im Blutplasma zu >4 ng/ml führen, wird eine Kontrolle wie bei Arzneimitteln verlangt, bei den übrigen (sowie bei Kräuterzigaretten) werden nur Warnhinweise verlangt. Ein Nikotinverbot am freien Markt wäre einfacher zu regulieren und brächte keine Abhängigkeit von Labors der Tabakindustrie mit sich. Kommissionspräsident Barroso hat zwar mit Tonio Borg rasch einen neuen Gesundheitskommissar bestellt, um den Vorwurf zu entkräften, dass Dalli einer Intrige der Tabakfirmen Swedish Match und Philip Morris zum Opfer fiel. Aber Borg muss erst zeigen, ob er die neue Richtlinie ohne Verwässerung und weitere Verzögerung umsetzt. Vom EU-Parlament ist zu hoffen, dass es noch Verbesserungen durchsetzt, z. B. ein Verbot von Zigarettenautomaten, eine einheitliche Altersgrenze für den Bezug von Tabakwaren von 18 Jahren mit entsprechenden Kontrollen der Händler und eine Beschränkung des Tabakhandels auf Trafiken, die Zigaretten weder bewerben noch zur Schau stellen dürfen, wenn sie gleichzeitig Waren für Minderjährige anbieten.

Kommentare