Die neue Chance der Pamela Rendi-Wagner

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Das überraschend gute Ergebnis öffnet der SPÖ-Chefin ein Zeitfenster. Ist sie clever, weiß sie das zu nutzen.
Christian Böhmer

Christian Böhmer

Das Ergebnis der Mitgliederbefragung der SPÖ ist überraschend. Vor allem aber ist es ein Erfolg – und zwar einer, den Pamela Rendi-Wagner tatsächlich mit niemandem teilen muss.

Sie allein wollte diese Abstimmung.

Gegen den Rat von nicht ganz uneinflussreichen Genossen wie Wiens Bürgermeister Michael Ludwig. Und mit der Gefahr, nicht nur die letzten Verbündeten vergrämt zu haben, sondern am Ende auch grandios zu scheitern.

Dass die Befragung der 160.000 Parteimitglieder ausgerechnet während der massivsten Gesundheits- und Wirtschaftskrise stattfinden sollte, hat die Sache erschwert. Auch vor diesem Hintergrund ist es bemerkenswert, dass doppelt so viele Mitglieder mit abgestimmt haben wie bei der letzten Befragung anno 2018.

Was das Ergebnis für Rendi-Wagners mittel- und längerfristige Perspektive in der Partei bedeutet, lässt sich an dieser Stelle nicht mit absoluter Sicherheit vorhersagen.

Noch am Dienstag waren in führenden Kreisen der SPÖ Theorien zu hören, die man seriösen Sozialdemokraten nicht zutraut. Da wurde ernsthaft darüber nachgedacht, ob das Ergebnis nicht vorsorglich geschönt wurde – Online-Befragungen seien ja so eine Sache.

Um es kurz zu machen: Derlei Mutmaßungen sind in einer Partei, die das Wort „demokratisch“ sogar im Namen führt, schlicht unanständig. So lange Kritik am Ergebnis nicht öffentlich und gut nachvollziehbar formuliert wird, gilt nur eine Zahl, nämlich: 46.579.

So viele Mitglieder haben es trotz oder gerade wegen der desaströsen Umfragewerte der Partei für wichtig erachtet, der Parteivorsitzenden das Vertrauen auszusprechen. Das gab es so noch nie in der SPÖ.

Wie geht es also weiter?

Langfristig wird sich die erste Frau an der Spitze der SPÖ wohl nur halten, wenn sich in der Bewegung die Überzeugung verfestigt, man könne mit ihr auch Wahlen gewinnen.

Die gesellschaftlichen Verwerfungen, die die Corona-Krise nun zeitigt, bieten für sozialdemokratische Politik ein fast ideales Betätigungsfeld.

Wie geht es mit den Arbeitslosen weiter? Wie kann die Schule alle Schüler mitnehmen? Wie stellt man die Sozial- und Gesundheitssysteme breit auf? Und vor allem: Wer zahlt für die Krise?

Auf all diese Fragen muss Pamela Rendi-Wagner überzeugende Antworten finden.

Sie hat jetzt ein Zeitfenster.

Vielleicht nutzt sie es.

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