Ja, der Industrie geht es heuer schlecht, und zusätzliche Kosten sind immer problematisch für einen Betrieb. Man kann nur verteilen, was auch erwirtschaftet wurde. Aber ein Lohnabschluss in der Größenordnung der Inflation von 9,6 Prozent dürfte noch keine Abwanderungs- und Pleitewelle auslösen. Dazu haben viele Unternehmen zu gut verdient und konnten ihre höheren Kosten in den Preisen weitergeben.
Gleiches gilt für die Arbeitnehmerseite: Ja, die Inflation ist historisch hoch und gehört abgegolten. Das ist relativ unbestritten, auch wenn manch Arbeitgeber am liebsten eine Nulllohnrunde fahren würde. Richtig ist freilich auch, dass der Staat mit Hilfspaketen und dem Aus für die Kalte Progression einen Teil der Reallohnverluste bereits ausgeglichen hat, die große Verarmungswelle also ausgeblieben ist.
Sorgen bereitet, wie einbetoniert die Positionen sind. Die eine Berechnung zeigte jüngst, dass die Inflation vor allem durch die Profite der Unternehmen getrieben ist, eine andere Berechnung – derselben Institution – zeigte, wie stark sich Löhne auf die Inflation auswirken. Flugs hatte wieder jede Seite ihre Argumente, und das Hauen und Stechen ging munter weiter.
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Vielfach längst vergessen wurde, dass die Inflation vor allem durch den Energiepreisschock im Gefolge des Ukraine-Krieges in die Höhe geschnellt ist und viele Auswirkungen davon die erwartbaren Zweitrundeneffekte sind.
Zur Polarisierung trägt bei, dass der Wahlkampf ausgebrochen ist und es in der SPÖ einen neuen Parteivorsitzenden sowie in der Produktionsgewerkschaft Pro-Ge einen neuen Chefverhandler gibt. Beide müssen sich beweisen, und die Gewerkschaft wird ihre gesamte Kraft in die Waagschale werfen. Sie zeigt aber von Beginn an, dass sie nicht völlig überzieht und bereit ist, das große Ganze zu sehen.
Ihre Forderung von 11,6 Prozent liegt deutlich unter den erwarteten 12 bis 13 Prozent. Eine Einigung bei zehn Prozent scheint daher möglich und würde der Dimension entsprechen, in der heuer schon etliche Branchen und die Pensionisten abgeschlossen haben.
Aber, Achtung: Für viele andere Branchen wäre eine Lohnerhöhung um zehn Prozent eine Katastrophe und Arbeitsplätze könnten verloren gehen. Es braucht hier viel Fingerspitzengefühl. Die Inflation sinkt aber bereits. In jenen Branchen, die nach den Metallern verhandeln, müssten die Lohnabschlüsse also verträglicher ausfallen.
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