Die Digitalisierung der Sozialpartner

Wollen Kammern und ÖGB ihre Bedeutung erhalten, müssen sie die Folgen der digitalen Wirtschaft verstehen.
Helmut Brandstätter

Helmut Brandstätter

Die „Zwangsmitgliedschaft in allen Kammern abschaffen“, das war ein oft gehörter Schlachtruf der FPÖ vor den letzten Wahlen. Sebastian Kurz sprach von „neu regieren“, und dazu gehörte für ihn auch, sich bei den Verhandlungen für das Regierungsprogramm nicht mehr wie üblich auf die Experten der schwarzen Sozialpartner zu verlassen. Bei diesen Verhandlungen wollte die FPÖ zumindest eine deutliche Kürzung der Mitgliedsbeiträge erreichen. Doch im Regierungsprogramm stand dann nur noch die Erwartung an die Sozialpartner, dass diese selbst Einsparungsvorschläge machen müssen.

Weiter ging es bei der Krankenkassenreform, wo eines der Ziele die Beschränkung der Selbstverwaltung war. Diese ist zwar in der Verfassung vorgesehen, die Neos hätten schon mitgemacht und für die Zweidrittelmehrheit im Nationalrat gesorgt. Aber davon ist auch nichts mehr zu hören. Und spät aber doch hat sich die Regierungsspitze in dieser Woche ganz vertraut mit den Chefs der vier großen Sozialpartner getroffen.

Das Zusammenwirken von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gibt es auch in anderen Ländern, aber diese Form der Nebenregierung, die sich in Österreich nach dem Zweiten Weltkrieg herausgebildet hat, ist – nein, war – schon einmalig. Und auch noch kurios, weil drei gesetzlich begründete Kammern mit dem privaten Verein ÖGB zusammenspielten. Zwei Schwarze und zwei Rote in unauflöslicher Partnerschaft. Historisch war das gut begründbar – das Zusammenwirken der ehemaligen Gegner des Bürgerkriegs, der soziale Ausgleich, zu Beginn auch die ausreichende Versorgung mit Lebensmitteln.

Mehr Flexibilität, mehr Selbstständigkeit

Aber spätestens im Frühjahr 2017, als Wirtschaftskammer und ÖGB nicht in der Lage waren, sich auf ein sinnvolles Arbeitszeitmodell zu einigen, war klar, dass die moderne Lebenswelt zu manchen Funktionären nicht vorgedrungen ist. Machtpolitisch ist es verständlich, dass der ÖGB möglichst viel in Kollektivverträgen und möglichst wenig auf Betriebsebene regeln will, aber die Realität der Arbeitswelt ist einfach vielfältiger geworden.

Dazu kommt, dass die Digitalisierung mehr Selbstständigkeit bringt und mehr Flexibilität verlangt, ob wir das wollen oder nicht. Da wird der Takt anderswo vorgegeben. Plattformen wie Uber, Airbnb oder Flixbus verändern unsere Mobilität, Amazon und Zalando unser Kaufverhalten und die Robotisierung alle Produktionsprozesse, Facebook und Google die Information und dadurch auch die Politik.

Das hat Folgen für Arbeitsplätze, Steuern und die Finanzierung der Sozialsysteme, die noch niemand genau beschreiben kann. Sicher ist, dass der Gegensatz von Kapital und Arbeit nicht mehr so aussieht wie zu Zeiten der Industrialisierung. Das zu verstehen und neue Formen der Zusammenarbeit zu finden, wäre eine riesige Chance für die Sozialpartner. Wir werden wieder eine Form des sozialen Ausgleichs brauchen, aber eben mit neuen Modellen. Und einem neuen Spirit.

Kommentare