Der Schul-Karren ist ordentlich verfahren

Martina Salomon
Sprachgewirr, Schultypen in Auflösung, wenig Ganztagsschulen und jetzt noch Corona: Das Bildungswesen steht unter Druck.
Martina Salomon

Martina Salomon

Eigentlich ist die Ausgangslage im Bildungswesen, wie von der neuen OECD-Studie bestätigt, gar nicht so übel: Österreich gibt weit überdurchschnittlich viel Geld pro Schüler/Student aus, hat mehr Lehrer/innen im Verhältnis zur Schülerzahl, kleinere Klassen und gilt als vorbildlich bei der Berufsbildung. Dennoch tun sich Firmen schwer, gute Fachkräfte zu finden, und immer mehr Schüler/innen, vor allem jene aus "bildungsfernen" Familien, erreichen die Unterrichtsziele nicht. Eltern sind die Nachhilfelehrer der Nation. Man kann sich ausmalen, wie das weitergeht, wenn mittlerweile zwei Drittel aller Wiener Volksschüler daheim gar nicht Deutsch reden. "Ist doch wunderbar, wenn Kinder zwei Sprachen fließend sprechen", tönt es dann in Kreisen, die ihre Kinder gerne in Privatschulen schicken. Stimmt theoretisch. Doch praktisch lernen die Kinder oft weder die Muttersprache noch Deutsch gut, weil das Sprachengewirr in der Klasse zu groß ist. (Deutschlehrer werden in ihrer Ausbildung absurderweise kaum darauf vorbereitet.) Immer mehr Kinder haben Förderbedarf.

Es ist der fantasieloseste aller Vorschläge: Aber die Bildung braucht mehr Geld, sonst werden die Sozialausgaben explodieren. (Daran sollte auch denken, wer fordert, jetzt Flüchtlingskinder aufzunehmen. Da kommt ja noch der Familiennachzug dazu. Plus: Noch mehr Eltern in Afrika schicken ihre Söhne mit Schleppern auf die gefährliche Reise. Sie sind zum Erfolg verdammt, können kaum zurück. Ist das human?)

In Summe sind unsere Bildungsausgaben gemessen an der Wirtschaftsleistung unterdurchschnittlich. Vor allem die Kindergärten müssten personell besser ausgestattet werden. (Sie können negative Entwicklungen frühzeitig abfangen.) In den Schulen anderer Länder gibt es mehr unterstützendes Personal für Verwaltung, Psychologie, Sozialarbeit, Sicherheit. Wir haben leider wenig echte Leistungsmotivation für Lehrende und Nachholbedarf in Digitalisierung und Ganztagsschulen (selbst Wien, das sich damit so brüstet, muss noch "aufrüsten", übrigens auch baulich).

Die Schultypen befinden sich in Auflösung. Alles Geld floss ins Prestigeprojekt "Neue Mittelschule". Die Gymnasien wurden teils finanziell ausgehungert. Dennoch wollen alle ihre Kinder dorthin schicken. Der Druck, lauter "Einser" im Abschlusszeugnis der Volksschule zu haben, ist enorm. Wären die Befürworter der Gesamtschule nicht gegen Leistungsgruppen gewesen, wäre sie realistischer und durchsetzbarer gewesen. Fehlende Differenzierung senkt das Niveau und verstärkt den Run auf Privatschulen. Und sicher brauchen Schulen mehr echte Autonomie, vor allem an sozialen Brennpunkten. Dort ist oft nur noch wildes Improvisieren möglich. Bildungsminister Faßmann ist prinzipiell guten Willens, er hat die Reformnotwendigkeiten erkannt. Aber der Karren ist schon ordentlich verfahren.

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