Der neue Feind der Roten trägt Türkis

Die ÖVP regiert de facto allein. Immer mehr SPÖler liebäugeln deshalb mit Blau als Alternative zu Schwarz.
Michael Bachner

Michael Bachner

Der letzte 1. Mai für Michael Häupl, der letzte 1. Mai für ÖGB-Präsident Erich Foglar und – möglicherweise – auch eine der letzten Mai-Feiern für SPÖ-Chef Christian Kern. Intensiver als in manch anderen Jahren verfolgten politische Beobachter daher heuer das Geschehen auf dem Wiener Rathausplatz. Die rote Zeitenwende, die mit der Wahlniederlage im Oktober eingeläutet wurde, fordert nun volles Engagement von Michael Ludwig in Wien, Wolfgang Katzian im ÖGB und klarerweise von Christian Kern im Parlament.

An diesem 1. Mai fiel auch der Startschuss für den Kampf um die Hauptstadt. In zweieinhalb Jahren wird in Wien gewählt, und ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache lassen schon heute nichts unversucht, das rote Wien vorzuführen. Das reicht vom Islam-Kindergarten über die Mindestsicherung bis zur Zuwanderungsfrage.

Vieles, wenn nicht alles hängt für die SPÖ jetzt davon ab, wie energisch sie ihren Erneuerungsprozess angeht. Ein neues Parteiprogramm wird nicht reichen. Selbst ein neues Gesicht an der Parteispitze, ob nun Doris Bures oder Hans Peter Doskozil, dürfte noch nicht die Rettung sein.

Vielmehr muss sich die alte Sozialdemokratie als frische linke Bewegung neu erfinden und endlich ihr Verhältnis zur FPÖ klären. Auf dem Rathausplatz war die Stimmung noch klar gegen Rechts und die „Pfui“-Regierung mit Blau-Färbung. Aber hinter den Kulissen zeigt sich: Je handsamer Strache wird und je intensiver er mit Kurz kuschelt, desto mehr Rote schimpfen auf die „Alleinregierung“ der ÖVP und wollen es auch einmal mit der FPÖ versuchen. Das blaue Gespenst verliert seinen Schrecken. Der neue rote Feind ist schwarz und trägt Türkis.

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