Der Fall Ulrich Seidl: Werk-Entwertung

Der Fall Ulrich Seidl: Werk-Entwertung
Warum der Regisseur die Vorwürfe gegen sich ernst nehmen sollte.

Es ist in der Filmszene wahrlich kein Makel, stilistisch Wände einzureißen und damit Schmerzen zu verursachen. Man sollte sich jedoch sicher sein, wer sie erleidet. Ulrich Seidl muss sich diese Fragen aktuell eindringlich stellen, denn er arbeitete die meiste Zeit seiner Karriere mit Laienschauspielern, die er meisterhaft castete. Wie meisterhaft, zeigt sich an der Person Georg Friedrich, der im Wesentlichen eine Variation seiner selbst spielt und es damit vom Arthouse-Kino in die Fernsehkomödie schaffte.

Am anderen Ende des Regenbogens stehen Menschen, die als kultige Typen in die Öffentlichkeit katapultiert wurden, dann aber – happy oder nicht – wieder in der Versenkung verschwanden. Wie sie sich fühlten, als Scherenschnitt für Anti-Helden zu dienen, war zweitrangig. Gut – es sind Erwachsene, mag man zu Recht einwenden. Auch im Trash-Fernsehen blamiert man sich freiwillig.

Die aktuellen Vorwürfe gegen Seidl sollten jedoch hellhörig machen, denn sie legen doppelten Machtmissbrauch nahe. Dass die Crew aus Österreich den rumänischen Kinderdarstellern für die örtlichen Verhältnisse viel Geld gezahlt hat, kann man großzügig finden. Wenn man den Eltern aber nicht mal die Chance gibt, ein klares Bild vom Dreh zu haben, wird ein Machtgefälle ausgenutzt. Dazu kommt, dass – Eltern hin oder her – Kinder ein besonders hohes Schutzbedürfnis haben. Wenn dieses mit Füßen getreten wird, wird auch das entstandene Werk entwertet.

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